Amanda Gormans Gedicht auf Deutsch: Haben die da echt "Farbe" gestrichen?

Amanda Gormans Gedicht auf Deutsch: Haben die da echt "Farbe" gestrichen?
Die umfehdete deutsche Übersetzung liegt nun vor - eine Lektüre.

Was für ein staunenswertes Schauspiel! Ausgerechnet jetzt, wenn die Welt gerade glaubt, auch ohne Kultur ganz gut auskommen zu können, sorgen sich plötzlich gar nicht wenige Menschen mit feurigem Eifer darüber, ob ein Gedicht auch richtig ins Deutsche übertragen worden ist. Mit jener bierernsten Miene, die man angesichts des Welthistorischen zieht, klopfen sie Bruchstellen in Amanda Gormans Gedicht ab, das die junge Dichterin bei Joe Bidens Amtseinführung vorgetragen hat. Und das zum neuen glatten Parkett im gesamtgesellschaftlichen Eiertanz rund um Minderheiten, Identität, Biografie und Respekt geworden ist.

An der Frage, wer „The Hill We Climb“ übersetzen darf, wallte eine in Schlagworten geführte Debatte um Rassismus, Kunst, politische Korrektheit und biografische Aneignung auf. Und gerade ins Deutsche war der Weg schwierig; Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüşay, eine Übersetzerin, eine Journalistin und eine Publizistin, haben die Übertragung vorgenommen. Ihre Biografien sind im Buch (Hoffmann und Campe) ziemlich genau gleich lang ausgeführt wie jene von Gorman: Sie sind die Währung, mit der hier gehandelt wird. Wie nah, wie fern dürfen sie der Autorin und ihren Erlebnissen sein? Sind die jetzt doch weiß? Oder nicht?

Aber bei der Lektüre stellen sich nun viel weniger abstrakte Fragen. Haben die da echt ausgerechnet das Wort „color“, „Farbe“, ausgelassen? Ist das nicht das, worum es geht? Oder fällt man hier erst so richtig auf die Umgebungsdiskussion herein? Und erinnert „Den Hügel hinauf“ nicht eher an diesen eigentümlichen deutschösterreichischen Eifer beim Wandern als an die amerikanischen Kämpfe zwischen strukturellem Rassismus und amerikanischem Traum?

Kommentare