Streifenhörnchen mit Superkleber

Ungezogen: Alvin (rot) mit seinen Brüdern Simon (blau)  & Theodore
Die singenden Nager wollen eine Verlobung vereiteln und verwüsten ein Flugzeug.

Ohne Kinder sollte man keinen Fuß in "Chipmunks" setzen. Aber wenn es schon Familienunterhaltung sein muss – warum nicht mit der vierten Folge der singenden Streifenhörnchen?

Die Chipmunks bieten genügend Zerstörungswut auf, um kindliches Chaosbedürfnis mehr als ausreichend zu befriedigen. Wie drei schlimme Buben, die ihren Eltern das Leben schwer machen, verwüsten sie zu Beginn das Haus ihres "Stiefvaters" Dave. Daraufhin folgt erst einmal eine Runde Hausarrest.

Im Realfilm tummeln sich die animierten Pelztiere mit dem fragwürdigen Gesangstalent zwischen echten Menschen und müssen aufpassen, nicht zertreten zu werden. Allerdings ist die Gefahr gering. Eher schon kämpfen die Schauspieler damit, handschuhgroßen Streifenhörnchen würdige Spielpartner abzugeben. Immerhin liefert sogar Kult-Regisseur John Waters einen Cameo-Auftritt. Ahnungslos speist er in einem Flugzeug, als plötzlich die kleinen Nager über seine Halbglatze galoppieren und ein Papagei um sein Haupt kreist. Der beleibte Chipmunk Theodore lässt nämlich im Frachtraum die anderen mitreisenden Tiere los, verwandelt das Flugzeug in die Arche Noah und zwingt es zur Notlandung.

Hörnchen-Panik

Ab diesem Moment haben die Hörnchen einen Air-Marshall am Hals, der ihnen ewige Rache schwört – und sie auf ihrer Reise nach Miami vor sich hertreibt. Denn die Chipmunks verfolgen eine Mission in eigener Sache. Dave hat eine Freundin und plant womöglich eine neue Familie. Hörnchen-Panik bricht aus. Zumal die Neue auch Mutter eines Teenagers namens Miles ist, der ohne mit der Wimper zu zucken die Chipmunks mit Superkleber zusammenleimt.

Der Rest des Films ist der gemeinsamen Unternehmung gewidmet, eine potenzielle Verlobung zu verhindern. Natürlich haben sich am Ende Miles und die Nager doch sehr lieb. Der Frohbotschaft zur Patchwork-Familie steht nichts im Wege. Bloß die Actionsequenzen mit dem Air-Marshall nerven.

Und der Gesang. Der Gesang der Chipmunks ist strafverschärft: Er klingt, als würde man eine Kassette zu schnell abspielen und sich gleichzeitig die Nase zuhalten. Aber was tut man nicht alles für Kinder.

INFO: Alvin und die Chipmunks: Road Chip. USA 2015. 93 Min. Von Walt Becker. Mit Jason Lee.

KURIER-Wertung:

Alvin und die Chipmunks: Road Chip

"Verbringen Sie die Feiertage mit jemandem, den Sie hassen", lautete ein Werbeslogan zu "The Hateful Eight". Sitzt man im Kino, wird einem dieses Vorhaben nicht übermäßig schwer gemacht: Im Film findet sich praktisch niemand, den man nur annähernd sympathisch finden könnte. Miese Typen durch und durch: Selbst Samuel L. Jackson als Schwarzer in einem Haufen weißer Rassisten erweist sich alles andere als liebenswürdig.

"The Hateful Eight" (Kinostart: Donnerstag), Tarantinos neuer Tiefschnee-Western, ist brachial-komisch, ultra-brutal und streckenweise unangenehm sadistisch. Ein wüstes, dabei fast durchwegs unterhaltsames Gemisch aus Horror-Metzelei, Western-Bastard und Agatha-Christie-Krimi. Ein Hochfrequenz-Kammerspiel, das zurückkehrt zu Tarantinos Anfängen und wie "Reservoir Dogs" locker als Vorlage einer Bühneninszenierung dienen könnte. Es scheint auch eine weitere Tarantino-Perversion, seinen achten Film auf "gloriosem 70 mm Ultra Panavision"-Material zu drehen, nur um das Breitwandformat dann für einen Einraumfilm à la "Mord im Orientexpress" zu verwenden.

Nach "Django Unchained" bewegt sich Tarantino erneut auf Western-Terrain – diesmal einige Jahre nach der Sklavenbefreiung. Im Wyoming der späten 1860er-Jahre bahnt sich eine Postkutsche ihren Weg durch den Schnee. Darin kuscheln zuerst nur Kurt Russell und Samuel L. Jackson, gemeinsam mit der verwegenen Jennifer Jason Leigh. Russell als Kopfgeldjäger John Ruth hat sich per Handschellen an eine Mörderin namens Daisy Domergue (Leigh) gekettet und will sie gegen Lösegeld dem Henker übergeben. Jackson nennt sich Major Marquis Warren und hat eine ähnliche Profession: Nur sind seine gefangenen Verbrecher bereits tot und werden wie tiefgefrorene Fischstäbchen auf dem Dach der Postkutsche gestapelt. Als ein Schneesturm aufkommt, sucht die Reisegruppe Schutz in einer Hütte: Dort wartet bereits der Rest des Ensembles – von Tim Roth bis Michael Madsen.

Geschwätzige Killer

Wer glauben sollte, dass es sich bei Westernhelden um wortkarge Gesellen handelt, liegt bei Tarantino bekanntermaßen falsch. Seine geschwätzigen Killer eröffnen ganze Sperrfeuer an politisch unkorrekten Dialogen, ehe sie zur Pistole greifen. Doch treffsichere Tarantino-Dialoge sind fundamentaler Teil des Spaßes, den man sich von "The Hateful Eight" erwarten darf – und davon bekommt man eine Menge. Auch führt Tarantino sich selbst als Erzähler ein, wenn man es am wenigsten erwartet oder beginnt, die Geschichte aus anderer Perspektive neu zu erzählen. Sogar Untertitel haben Humor: Ein Filmkapitel nennt sich "Son of a Gun" ("Halunke") und heißt in der deutschen Übersetzung kurioserweise "Der Schweinehund in der Pfanne".

Doch gerade, wenn man es sich im gewohnt selbst-reflexiven, ironisch-zynischen Tarantino-Land und seinen erwartbar überspitzten Gewalteskapaden gemütlich gemacht hat, holt der Regisseur zu unerwarteten Tiefschlägen aus. So fungiert Jennifer Jason Leigh als Daisy durchgehend als Punching Ball der Gesellschaft. Sie wird andauernd vermöbelt und erinnert mit ihrem blutverschmierten Gesicht an "Carrie – Des Satans jüngste Tochter". Gleichzeitig ist Daisy von unbeugsamer Gemeinheit und grinst auch noch ohne Schneidezähne ihren Peinigern frech ins Gesicht. Man könnte den Vorwurf der Misogynie entkräften und zu Tarantinos Gunsten sagen: Daisy wird genauso (schlecht) behandelt wie ein Mann. Auch die rassistischen Südstaatler haben im Angesicht des schwarzen Marquis ihren Meister gefunden. Seine Rachefantasie steigert sich zur Gewalt-Pornografie und stellt Sehgewohnheiten auf harte Proben. Gelungene Provokation oder sadistische Blödheit? Um das zu entscheiden, lohnt sich der Weg ins (Breitwand-)Kino.

Text: Alexandra Seibel

Info: USA 2015. 187 Min. Von Quentin Tarantino. Mit Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Jennifer Jason Leigh.

KURIER-Wertung:

Streifenhörnchen mit Superkleber
Kopfgeldjäger unter sich: Kurt Russell (li.) trifft im Tiefschnee auf seinen Berufskollegen Samuel L. Jackson

Bekanntlich zählte Janis Joplin zum "Club 27" – jenen Musiklegenden, die im Alter von 27 starben. Wie es dazu kam, rollt Doku-Regisseur Amy Berg noch einmal ganz von vorne auf und liefert – von der Wiege bis zur Bahre – jede Menge Archivmaterial. Berg berichtet von Joplins grausamen Highschool-Jahren, die sie als "nicht hübsches" Mädchen als Außenseiterin verbrachte. Diese schmerzhafte Erfahrung wiederholt sich im Erwachsenenalter, wo Joplin beobachten muss, wie ihre Bandmitglieder mit Mädchen nach Hause gehen, während sie selbst alleine bleibt. Besonders berührend fühlen sich auch Joplins Briefe an die Familie an, in denen sie um Anerkennung buhlt. Leider überfüllt Berg ihre Doku mit Material, legt andauernd Musik über ihre Bilder und erzeugt unnötige Gehetztheit.

Text: Alexandra Seibel

INFO: USA 2015. 103 Min. Von Amy Berg. Mit Janis Joplin, Cat Power, Peter Albin.

KURIER-Wertung:

Streifenhörnchen mit Superkleber
Janis Joplin singt den Blues in Amy Bergs Doku „Janis - Little Girl Blue"

Spektakuläre Bilder, dürftige Handlung und ein gerüttelt Maß an unfreiwilliger Komik – etwa, wenn ein geschätzt Zwölfjähriger einem jungen Adler Fliegen beibringen will, in dem er mit den Armen wedelt und "Du musst nur an dich glauben" ruft. Der Tierfilm "Wie Brüder im Wind" erzählt von der Freundschaft zwischen dem 12-jährigen Lukas und einem Adler, der von seinem Bruder aus dem Nest geworfen wurde. Eher Märchen als Naturfilm, vermenschelt die Produktion aus dem Hause Red Bull die Tierwelt extrem und die Adler-Brüder heißen tatsächlich "Kain und Abel". Auch darüber hinaus geizt das Drehbuch nicht mit Klischees, die Hochkaräter wie Tobias Moretti als verhärmter Vater und Jean Reno als herzensguter Förster namens "Danzer" von sich geben müssen: "Das Buch des Lebens schreibst du selbst". Die menschliche Hauptrolle spielt der 14-jährige "Wolfsbrüder"-Star Manuel Camacho, neben ihm kamen insgesamt 18 Adler unterschiedlichen Alters als "Kain und Abel" zum Einsatz. Die wahren Stars sind Kameratechnik und Tiertrainer.

Text: Barbara Mader

INFO: Wie Brüder im Wind. A 2015. 98 Min.Von Gerardo Olivares, Otmar Penker. Mit: Jean Reno, Tobias Moretti.

KURIER-Wertung:

Streifenhörnchen mit Superkleber
Jean Reno (li.) in "Wie Brüder im Wind"

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