In der Diskussion um Kultur-Zugangshürden, Vermittlungsansätze und Schwellenängste wird eine Sache gern vergessen: Die Weichen dafür, ob jemand mit Kunst etwas anfangen kann – sei es nun im eigenen Tun oder im Anschauen – werden ganz wesentlich im Kunstunterricht in der Schule gestellt.
An der Universität für angewandte Kunst, wo zahlreiche Kunstpädagoginnen und -pädagogen ausgebildet werden, beschäftigt man sich intensiv mit der Geschichte des Fachs – und stößt dabei immer wieder auf die Person Franz Čižek (1865–1946). Der in Böhmen geborene Maler war ab 1904 Professor an der Institution, die damals als Wiener Kunstgewerbeschule firmierte – und avancierte in der Folge zu einem „Popstar“ seiner Zunft, wie Cosima Rainer, Leiterin der Abteilung Kunstsammlung und Archiv der „Angewandten“, sagt. Denn Čižek entwickelte im Fahrwasser der Wiener Moderne einen reformpädagogischen Ansatz, der das freie Schaffen in den Vordergrund stellte, Kindern und Jugendlichen Kreativität zugestand – und ihre Werke für ausstellungswürdig erachtete.
Herr Professor auf Tour
Nicht nur über seine eigenen Schülerinnen und Schüler – die Malerin Erika Giovanna Klien ist als Vertreterin des sogenannten „Wiener Kinetismus“ die bekannteste – fanden diese Ideen Verbreitung: Es gab auch ein großes Netzwerk von Kongressen und Publikationen, durch das Čižek tourte und dabei seine Fangemeinde mehrte. Auch das Jugendrotkreuz, das die Erzeugnisse von Čižeks Schülerinnen und Schülern in seiner Zeitschrift abdruckte, spielte eine Rolle bei der Verbreitung der Reformideen.
Eine ansprechend gestaltete Ausstellung im Wiener Heiligenkreuzerhof breitet bis 16. 12. all das und noch viel mehr aus. In einer Kooperation mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich schließt die Angewandte Čižeks Geschichte mit jener der Schweizer Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004) kurz, die in London wirkte und dort Linolschnitte schuf: Als nach dem Ersten Weltkrieg Material rar war, wurde die Kunst des Holzschnitts, die im Wiener Jugendstil zur Blüte gelangt war, in dieser Form weitergeführt. Auch hier lieferte Čižek Impulse, die insbesondere im angloamerikanischen Raum Resonanz erfuhren.
Wenngleich die Schau teils stark ins Detail geht, ist ihr ein Publikum zu wünschen, das über den Kreis von Kunstpädagogen und solchen, die es werden wollen, hinausgeht: Denn sie erinnert an die Freude, die ein unverbauter Zugang zur Kunst schaffen kann.
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