Sie segelte immer ein wenig im Schatten der großen Tanker des Kunstbetriebs dahin: Die lange Halle im ersten Stock des Wiener Werkstätten- und Kulturhauses, die zuerst „Kunsthalle Wien“ hieß, sich dann aber nach der Seitengasse benannte, auf die man aus ihren Fenstern blickt. Manchmal, wenn unten im WUK laute Bands auftreten, hängen am nächsten Tag hier die Bilder schief, erzählt Co-Leiter Klaus Schafler. Er betont, dass die Einrichtung in 35 Jahren ihres Bestehens mehr als 2000 Künstler und Künstlerinnen ausgestellt habe.
Einige davon haben Karriere gemacht – aber wohl keiner so wie jener geheimnisvolle Typ aus Bristol, der im Mai 2003 in dem Saal gastierte. Heute ist es Nachrichtenagenturen jedes Mal eine Meldung wert, wenn irgendwo ein neues Werk von Banksy, dem „Kunstphantom“, auf einer Hauswand auftaucht. Zur Zeit der Wiener Ausstellung hatte der Name wohl schon Kult-Potenzial, galt aber als Größe der Street-Art-Szene.
Die Graffiti-Enthusiastin Monika Vykoukal war während eines Aufenthalts in Großbritannien auf Banksy aufmerksam geworden und hatte über eine e-Mail, auf der Rückseite einer selbst verlegten Broschüre Kontakt aufgenommen. „Die Leute, die hinter Banksy stehen, haben dann gesagt, dass ich sie nach Wien einladen soll“, erzählt sie dem KURIER. Im WUK seien dann mehrere Personen am Werk gewesen, einer gab Interviews – mit Gesichtsmaske.
Klaus Schafler war 2003 selbst noch nicht am Haus aktiv, bekam aber die „Nachwirkungen“ zu spüren. So suchten Sammler, die in Besitz einiger Ausstellungsstücke gekommen waren, später den Beweis, dass diese authentisch waren. Insbesondere auf Pappe gesprühte Bewaffnete mit gelbem Smiley-Gesicht legten eine beachtliche Marktentwicklung hin: Bei Sotheby’s wurde 2008 eine Doppel-Edition – mit Verweis auf die WUK-Schau – um 132.500 britische Pfund versteigert, 2019 wechselte dann eine einzige Figur in Hongkong um 3,7 Mio. HK-Dollar (heute rund 440.000 Euro) den Besitzer.
Banksy war zur Zeit der Ausstellung auch in Wien unterwegs – so erstand er am Naschmarkt alte Gemälde, die er später überarbeitete. Der Künstler Ernst Logar, in dessen Atelier Vykoukal lange mitarbeitete, berichtet, dass er an einem Haus in der Schleifmühlgasse ein Werk hinterließ, das später unter Protest abgenommen wurde – es befinde sich heute in einer Wiener Anwaltskanzlei.
Vergessene Sammlung
Logar gehört zu jenen Künstlern, die selbst auch in der Exnergasse ausstellten und dort Werke hinterließen.
Diese sind nun Bestandteil einer Ausstellung zur Wiedereröffnung nach der Sanierung, die morgen (24. 1., 18 Uhr) gefeiert wird. Der Künstler Andreas Fogarasi sammelte dazu alte Gebäudeteile und verarbeitete sie zu Rauminterventionen und einer fünfteiligen Werkreihe, die zugunsten der Institution verkauft wird (800 €).
Bei der Programmgestaltung setzt die Halle weiter auf offene Ausschreibungen, um Kunst abseits des Etablierten zeigen zu können. Vielleicht ist ja auch der nächste Banksy dabei.
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