Kurz vor acht wurde die illustre Gesellschaft – darunter Florian Teichtmeister – in den Festsaal gebeten: Alma Mahler-Werfel, Muse zahlreicher Genies, sei bereit, ihren Geburtstag zu zelebrieren. Den nun bereits 144. Und dann machen die Männer ihre Aufwartung: Gustav Klimt, der ihr einen Kuss stahl; Burgtheaterdirektor Max Burckhard, der ihr an die Wäsche wollte; Architekt Walter Gropius, Schriftsteller Franz Werfel und natürlich Gustav Mahler. Und schon kippt die Party der untoten Alma, die im Laufe des vierstündigen Abends von mehreren Darstellerinnen verkörpert werden wird, ins längst altbekannte Spiel.
Die freche Alma Schindler der Marie Theres Müller hat keine Scheu, den Direktor der Hofoper (Gregor Hellinger) anzugehen, der eine Komposition ihres Freundes Alexander von Zemlinsky (Christian Korthals) als „verschmockte Petitesse“ abtut. Doch ist sie die wahre Alma? Noch zwei weitere Frauen, gleich gekleidet im legendären Streifenkleid, behaupten, Alma zu sein und Facetten der männerumschwirrten Lichtgestalt zu verkörpern: Claudia Kohlmann kennt man bereits (wie auch Marie Theres Müller) als Alma, Anna Werner Friedmann, ausgesprochen energisch, ist neu im Ensemble.
Joshua Sobol hat sich für sein „Polydrama“, 1996 von Paulus Manker im Jugendstil-Sanatorium Purkersdorf uraufgeführt, eifrig an der Ringparabel bedient. Und so darf sich jeder und jede überlegen, welcher Alma man durch ein komplexes Liebesleben folgen möchte. Die Botschaft bleibt aber die gleiche: Die Männer werden rasend vor Eifersucht – und Alma, eine kapitale Antisemitin, schimpft über alle.
Die laszive „Show“ samt Leichenschmaus nach dem Begräbnis von Mahler (untermalt von Leonard Bernsteins Trauermarsch) ist auch eine reizvolle Entdeckungsreise durch das renovierungsbedürftige, morbiden Charme ausstrahlende Südbahnhotel: Manker und seine Frau Elisabeth Auer, zuständig für die Infrastruktur, haben die Säle, Foyers und Gesellschaftsräume mit Unmengen an Antiquitäten in grandiose Schauplätze verwandelt. Man hastet durch dunkle Gänge und die überdachte Brücke, man gelangt ins Schwimmbad (nun Lazarett) oder in eine katakombenartige Küche, und wenn man Glück hat, trippelt man hinter Franz Werfel (Christian Klischat) und der Pionierin Hulda (Rebecca Richter) für eine einzige Szene in einen verwunschenen Garten, stellvertretend für Palästina.
Dienstbare Geister
Das Team rund um Manker leistet Übermenschliches. Denn nebenbei sind Benjamin Spindelberger (Walter Gropius), Gregor von Holdt (Sigmund Freud), Ari Gosch (Max Burckhard), Thomas von Wallersbrunn (Gustav Klimt) und alle anderen auch Dienstmänner und dienstbare Geister, sie schuften als Requisiteure und servieren nach dem Essen die schmutzigen Teller ab. Das Finale gehört dem Impresario, der schwatzende Besucherinnen maßregelt: Wie in jeder Vorstellung seit Anbeginn wütet er als Oskar Kokoschka, der sich eine lebensgroße Alma-Puppe anfertigen lässt. Dieses Mal ist es Clara Lou Kindel, die als Dienstmädchen Reserl Mitleid mit dem alten Mann hat – und sich entblößt.
Jubel und Standing Ovations. Aber kein Happy End: Christian Zeller mutmaßt, dass Manker mehr Personen als behördlich erlaubt ins Südbahnhotel gelassen habe.
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