Die Bayern hatten schon gut lachen. Seit „fremd“ 2006 dieselbe Prozedur: Alfred Dorfer spielt(e) auch sein 8. Programm „Gleich“ zuerst in München im Lustspielhaus, „meinem zweiten Zuhause“. Dann ab 18. Oktober im Stadtsaal in Wien.
So schillernd wie das ganze komplexe Ein-Mann-Theaterstück ist „Gleich“ als Wort vieldeutig: im Wienerischen im Sinne von „Alles ist mir gleich. Alles ist wurscht. Jeder Blödsinn gilt.“
Und wie ist das mit der Gleichheit der Menschen und einer Gesellschaft, der alles gleich ist? Gleich bleibt im Lauf der Jahrzehnte ohnedies nur die Veränderung.
Nicht unbedingt zum Besseren, sagt der 62-Jährige mit ironischem Blick auf den eigenen Zustand: Dass vital Wichtiges nicht mehr so gut funktioniert, aber sich die Weisheit noch nicht eingestellt hat. „Die Propofolphase: Du kriegst nix mit, aber es geht dir gut dabei.“
Eine kokette Untertreibung, entpuppt sich das lässig entspannte Gedankenturnen doch rasch als ebenso scharfsinnig analytische wie sarkastische Kultur- und Gesellschaftskritik. Ein Mann im Endspurt, auf die Weisheit wartend, mokiert sich ohne Zorn über Blödheiten, Schnöseleien und das Dummkopfige seiner Zeit.
Außerdem ist er viele: Komiker im Alten-Getto, böhmische Großmutter, Wirt, ungarischer Hausmeister, arroganter Jungarzt, Karpfen, Bär – oder eine Sonnenblume.
Worum geht’s im Mix aus satirischem Ein-Mann-Theater und altem Nummern-Kabarett? Um Fake, Fiktion, was man sieht und was wirklich ist. Also um Sein und Schein und Anschein. Um Befindlichkeiten und Überzeugungen, das Eh-Alles-Egal-Denken und die um sich greifende, ans Asoziale grenzende Gleichgültigkeit.
Auch um die Frage: Wo steht unsere Demokratie, unsere Gesellschaft? Auf der Kippe in eine Zukunft ohne das große Wir. In einer Gegenwart der Egomanie und Egokratie.
In der sind die Urlaubsselfies der Narzissten wichtiger als das Erlebnis; Fotos vom Essen am Teller wichtiger als der Geschmack; das permanente Äußerln eigener Meinungen wichtiger als faktenbasiertes Wissen.
Zu beobachten auf den „Verblödungsplattformen“ der sozialen Netzwerke, aber auch auf den Bühnen linksliberaler Kultur und Politik.
„Übrig geblieben ist eine Pointe“, sagt Dorfer über die Sozialdemokratie, die ihm im Grunde eine Herzensangelegenheit ist. „Sie hat mit der Kunst immer gefremdelt und wurde selbst zu einem Kunstprojekt: zu einem Theater ohne Publikum.“
Früher habe man einen Zaun errichtet, um zu zeigen: „Das gehört mir!“ Heute sei die Botschaft: „Dir gehört das ganz sicher nicht!“
Und bei alten und neuen Nazis von Geschichtsvergessenheit zu sprechen, sei völlig falsch: „Denn vergessen kann man nur, was man schon einmal gewusst hat.“
Die Kühe winken nicht
In unseliger Zeit hieß es: „Arbeit macht frei.“ Heute haben wir’s begriffen: „Frei-heit macht Arbeit.“ Was möglicherweise mit fehlender Arbeitsmoral kollidiert. Wissen wir doch auch: „Arbeit ist lustiger, wenn sie wer anderer macht. Der Ursprung der Work-Life-Balance.“
Er macht uns bewusst, dass wir in einer dauererregten Online-Welt der Absurditäten und Paradoxien leben, in einer Kloake von Hass, Gier und Menschenverachtung. Und reitet Attacken, denn zu bequem darf’s im Kabarett nicht sein, sonst gäbe es keinen Unterschied mehr zum Bierzelt.
Am Ende der bösen Komödie ein schönes Bild: Ein Mädchen winkt beim Landeanflug im Flugzeug den Kühen draußen zu und wundert sich: Warum winken die Kühe nicht zurück?
Ein preisverdächtiges Solo und leidenschaftliches Plädoyer für mehr Hirn und weniger Wurschtigkeit. Weil Dorfer der Zustand der Welt nicht gleichgültig ist, der er aber am Rand der Altersweisheit unaufgeregt mit Gleichmut begegnet.
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