Und bei uns?
Da verschiebt sich das jetzt in eine Camouflage: Alle heimatlosen SPDler und SPÖler wählen jetzt grün. Diese neue, frische Halblinkheit mit den grünen Schuhen ist der Trend. Und wer etwas Geld hat, muss sich auch nicht mehr genieren dafür, weil er ja für den Klimawandel etwas Gutes tut.
Da spricht der Zyniker aus dem Satiriker! Und die SPÖ?
Diese Partei stellt sich so dar, dass es einen mehr oder weniger konservativen Basisriegel mit den Gewerkschaften gibt, die keine Veränderung wollen, aber auch keine Ideen haben. Das ist schlimm. Und bei Thomas Drozda und Pamela Rendi-Wagner hatte ich das Gefühl, die agieren wie schauspielerisch ausgebildete Handpuppen, die die Probleme derer, die SPÖ wählen sollen, gar nicht begreifen.
Dazu kommt, dass die SPÖ die Klaviatur der neuen Medien nicht spielen kann.
So wie die Franzosen immer noch glauben, sie seien eine Weltmacht, so meint man in der SPÖ nach wie vor, man sei vorne und müsse nichts mehr tun. Diese Saturiertheit in der Löwelstraße finde ich sehr erstaunlich.
In Ostdeutschland ist die AfD bereits gleichauf mit der SPD.
Das Wahlergebnis dort ist sehr speziell. Dieses Biotop in diesen fünf Bundesländern ist sehr eigen auf Grund der Geschichte, wie damit umgegangen wurde. Dazu kommt die Eigenschaft, sich gern als Opfer zu sehen, die auch wir gut kennen. Dieses Konglomerat mit dem sehr geringen Ausländer- und Flüchtlingsanteil, aber dem größten Ausländerhass kennen wir auch, deshalb ist das nicht verblüffend.
Dazu kommt der von der AfD geschürte Antisemitismus, der zuletzt zum Anschlag in Halle geführt haben soll.
Mich hat sehr schockiert, als man die Porträts von NS-Überlebenden heuer in Wien am Burgring in der Schau „Gegen das Vergessen“ zerschnitten hat, weil ich diese Dumpfheit der Aggression und auch das Ziel der Aggression nicht begreifen kann.
Trump hat laut „Washington Post“ seit Amtsantritt 12.000 Mal gelogen. Aber laut Umfragen glaubten 82 Prozent der republikanischen Wähler Trump mehr als den Medien. Das ist ja nicht einmal mehr Tunnelblick, sondern absolute Blindheit!
Gegenfrage: Wenn 45.000 Österreicher dem auf dem Ibiza-Video bei der EU-Wahl ihre Vorzugsstimme geben, ist das weniger oder genauso erstaunlich?
Mindestens genauso erstaunlich.
Das sind die Rätsel in der Demokratie: Dass es eine gewisse Resistenz gegen Lernprozesse gibt. Außerdem eine gewisse Resistenz gegen unangenehme Wahrheiten. Und das ist natürlich ein sehr gefährliches Potenzial.
Das Ibiza-Video hat der FPÖ weit weniger geschadet als die Spesenaffäre, die eine viel größere Wirkung entfaltet hat. Denn wie es so schön heißt: Der Neid is a Hund!
Es gibt ja auch den Neid, der beflügelt, dass jemand auch dorthin möchte, wo der andere schon ist. Aber die österreichische Variante ist: Ich will nirgendwo hin, ich will nur, dass der andere etwas nicht hat. Dieses Destruktive, diese Intrige ohne Selbstnutzen, ist schon sehr speziell. Ich glaube, das hat mit Feudalismus zu tun. Die Jörg-Haider-Linie war seit 1986: Die FPÖ räumt auf, geht in den Filz hinein, macht alles anders – ohne rot-schwarzen Proporz. Das war für viele eine große Hoffnung. Und für die FPÖ-Führung war der größte Sündenfall, dass sie sich bereichert.
Wobei sich zeigt: Je geringer das Bildungsniveau, umso mehr wurde FPÖ gewählt.
Darunter sind auch vor allem die, die Angst haben, weil der ökonomische Druck von unten kommt. Da hat die FPÖ immer so getan, als sei sie das beschützende Bollwerk. Durch die Spesenaffäre ist das nun widerlegt.
Alfred Dorfer mit „Und...“ am 22. und 23. 10. (20 Uhr), Stadtsaal in Wien
Kommentare