Dass Grabmayr seinen Platz in der Kunstgeschichte verdient, sollte dabei außer Frage stehen: Die museale Präsentation, die nicht nur in der Auswahl der Werke, sondern auch in deren Präsentation ein hohes Niveau ansetzt, streicht dies nur noch weiter hervor. Wobei Grabmayr in Österreich seit langer Zeit seine Fangemeinde hat: Künstler der "Neuen Malerei" der 1980er wie Herbert Brandl oder Hubert Scheibl ließen sich von seinem Umgang mit Farbe inspirieren, private Sammler schätzten und schätzen seine Arbeit. Eine Werkschau im privaten Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels 2017 war die bislang umfassendste Zusammenstellung zu Grabmayrs Werk.
Anders als in dieser Ausstellung, die die langsame Entwicklung des 1927 Geborenen von der Landschaftsmalerei und der Nachahmung seines Idols und Akademieprofessors Herbert Boeckl nachzeichnete, zeigt die Albertina das "reife" Werk, das grob die Zeit von 1970 bis 1990 umfasst: Da hatte sich der Maler von der Gegenständlichkeit so weit gelöst, dass seine Bilder sich primär als abstrakte Aufschichtungen von mit Kelle und Spachtel aufgetragenen Farbmassen begreifen lassen - auch dann, wenn sie Titel wie "Sandgrube" oder "Verkohlter Wurzelstock" tragen.
Im Detail wird man streiten können, wie "gegenständlich" Grabmayrs Werke sind, ob da - in einer "Sandgrube" von 1988 etwa - nicht doch ein konventioneller Horizont mit blauem Himmel das obere Bildfeld beherrscht. Unzweifelhaft ist, dass Grabmayr stets vor dem Motiv malte - für seine "Feuerbilder" ließ er sich etwa stundenlang auf dem Anhänger eines Traktors um ein großes Feuer ziehen, um dann, in einem Akt höchster Konzentration, die in großen Kübeln vorbereitete Farbe zum Bild werden zu lassen.
Archaisch und doch Modern
"Er suchte das Archaische", erklärt Schröder und merkt an, das dem Künstler sein rustikales Lebensmodell - er lebte bis 1972 im halb verfallenen Schloss Rosenau und später auf einem alten Bauernhof bei Zwettl - wohl auch den Zugang zur Kunstkarriere nicht dienlich gewesen sei.
Und doch regt die Museumsschau dazu an, das Moderne an Grabmayrs Malerei zu sehen: In der Idee, dass die Begegnung mit der Welt und der Natur mehr als bloß eine Abbildung ergibt, dass der Künstler sein Material in etwas Neues verwandelt, steckt ebenso viel Alchemie wie Kunst-Purismus.
Im Furor von Grabmayrs Malakten meint man etwas von dem zu erkennen, was auch einen Vincent van Gogh angetrieben haben mag. Seine Materialaufschichtungen sind dabei viel abstrakter, aber gleichzeitig aufs Engste mit dem Sehen und Tun verkoppelt. Und sie wirken direkter als etwa die in ihrer Materialwucht vergleichbaren Bilder von Anselm Kiefer, deren Symbolik erst entschlüsselt werden will.
Einige Bilder der Albertina-Ausstellung vermitteln einen Eindruck, als würde man direkt in einen moosigen Waldboden greifen oder über einen Schotterweg gehen - und doch sind sie Kunst, weil sie den Eindruck transformiert haben. Die Grenze von Kunst ins Leben übertrat Grabmayr übrigens nie - anders als sein Freund und Trauzeuge Otto Muehl, der, zunächst ebenfalls Materialkünstler, bekanntlich irgendwann dazu überging, Menschen als Material seiner Kommunen-Vision zu betrachten.
Grabmayr lud lieber Tänzerinnen in sein Atelier im Wiener Karl-Marx-Hof ein, immer dann, wenn ihm die kalte Jahreszeit eine Arbeit am Land verunmöglichte. Die aus diesen Begegnungen entstandenen "Tanzblätter" runden eine Schau ab, die zunächst einmal die Sinnlichkeit und den künstlerischen Akt als solches feiert. Für viele wird es wohl auch der Erstkontakt mit Franz Grabmayr sein - mit welchen Folgen auch immer.
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