Albertina: Magische Anziehungskraft

Honoré Daumier zeigte in seinem Aquarell „Die Grafikliebhaber“ des 19. Jahrhunderts (li., 1863–1865)
Sehenswert: Die Albertina zeigt 130 Blätter aus der Sammlung des Musée d’Orsay.

Es ist ein unheimlich reichhaltiger Schatz, aus dem hier ausgewählt wurde: 80.000 grafische Arbeiten umfasst der Bestand des Musée d’Orsay, das mit dem Louvre und Schloss Versailles zu den drei meistbesuchten Museen Frankreichs zählt. Es ist Frankreichs staatliches Museum für Kunst von 1848 bis 1914. Dessen Papierarbeiten sind normalerweise im Louvre gelagert und überaus selten zu sehen. Jetzt aber in erfreulichem Ausmaß: Die Träume quillen mit großer thematischer Breite aus ihrem Archiv in die Albertina und lassen ein Panorama des 19. Jahrhunderts entstehen.

Unbewältigbar

Erotik, Tod, und das (auch derzeit hoch im Kurs stehende) Bild vom zwar tristen, aber ursprünglichen Landleben. Sagenwelten und Bordell-Badezimmer. Monster und hauchzarte Landschaften. An alledem entlang leitet den Besucher ein durchkomponierter, zum genauen Schauen verführender Parcours durch das Koordinatensystem einer unbewältigbaren Sammlung. Faszinierend ist nicht zuletzt die Deutlichkeit, mit der die fast nicht unter einen Hut zu bringende stilistische Breite der damaligen Papierarbeiten zutage tritt: Die bis heute populären Impressionisten stehen kaum bekannten Künstlern gegenüber, magische Motive dem Realismus, düstere Monochromblätter sonnendurchfluteten Zeichnungen.

An vielen Motiven hätte der Wiener Traumdeuter Sigmund Freud jedenfalls seine helle Freude gehabt, etwa bei James Ensors "Ein Skelett zeichnet kluge Kindereien" (1889) oder Odilon Redons "Augenloses schwarzes Monster" (1888/’89).

Sehr freundlich schaut dafür Redons "Freundliche Spinne" (1881) drein.

Aber es geht auch handfester: Gustave Courbet und Frantisek Kupka hielten revolutionäre Umbrüche, Honoré Daumier die sozialen Missstände der damaligen Zeit fest.

Eigene Themenbereiche sind u. a. Georges Seurat, Gustave Moreau und seinem "Tanz der Salome" (1886) oder auch Cézanne, dem Vater der Moderne, gewidmet.

Modern muten aber auch Degas’ extreme Blickwinkel an, aus denen er sich badenden Frauen nähert – und auch seine nur teilweise ausformulierten Studien, etwa "Kopf einer Frau mit Zopffrisur".

Exponate der Ausstellung: Die Schätze des Musée d'Orsay

Albertina: Magische Anziehungskraft

Gustave Moreau Samson und Delilah, 1882 © Musée …
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Albertina…
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Albertina…
Albertina: Magische Anziehungskraft

AlbertinaPierre-Auguste Renoir Drei Badende am Uf…
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Odilon Redon Die Kanonenkugel, 1878 © Musée d´Or…
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Honoré Daumier Die Grafikliebhaber, 1863-1865 © …
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Lichtempfindlich

Die Schau war im ersten Halbjahr 2014 in Paris zu sehen und ist nun, als zweite und letzte Station, bis 3. Mai in der Albertina: Die 130 lichtempfindlichen Blätter dürfen nicht länger gezeigt werden.

Albertina: Magische Anziehungskraft
AlbertinaPierre-Auguste Renoir Drei Badende am Ufer, Studie für Die Großen Badenden, 1882-1885 © Musée d´Orsay, Paris, Dist. RMN-Grand Palais, Jean-Gilles Berizzi
In das Labyrinth der 80.000 Blätter vorgewagt hat sich der Kunsthistoriker Werner Spies. Der Ex-Direktor des Museums des Centre Pompidou (1997–2000), der zuletzt im Zuge der Beltracchi-Fälschungsaffäre in den Schlagzeilen war, hatte bei seiner Auswahl freie Hand.

Acht Monate hat er in der Sammlung des Musée d’Orsay verbracht.

Er habe "Meisterblätter, aber auch viel Unbekanntes, das mich magisch anzog" ausgewählt, sagte Spies. "Ich werde niemals mehr aus diesem Wald herausfinden", ein Satz aus Maeterlincks "Pelléas et Mélisande", sei ihm dabei nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Doch er hat herausgefunden.

Und mitgebracht hat er eine Ausstellung, deren Anziehungskraft ebenso magisch sein soll: Diese Schau sollte man nicht versäumen.

Die Ausstellung
"Archiv der Träume. Meisterwerke aus dem Musée d’ Orsay" in der Albertina. Zu sehen bis 3. Mai.

Der Katalog
Für den Ausstellungskatalog konnte Werner Spies 100 Künstler, Filmemacher, Autoren und Architekten zu Beiträgen über einzelne in der Schau vertretene Arbeiten bewegen. Die Liste reicht von den Dichtern Adonis und Paul Auster bis zu Wim Wenders und Erwin Wurm.

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