Liebesgeschichte mit Hexenschuss

Al Pacino als alter Mann, der sich in eine junge Frau verliebt: „The Humbling“ von Barry Levinson
Zwei Mal Al Pacino ist ein Mal zu viel: Alte Herren in der Krise und ein Mann zwischen zwei Schwestern.

Wenn sich die Menschenmengen vor dem Kinopalast am Lido drängen, dann tun sie dies nicht nur, um Al Pacino oder Catherine Deneuve über den roten Teppich schweben zu sehen. Allabendlich gibt es auch eine Gruppe von Demonstranten, die auf Missstände in der Stadtverwaltung aufmerksam macht. Korruption und Haushaltskürzungen plagen die Stadt Venedig und ihre Bürger. Nicht nur die ewige Baugrube auf dem Lido: Auch das einst so glamouröse Hotel Des Bains, das Thomas Mann zu seinem "Tod in Venedig" inspirierte und als Star-Absteige zum Ruhm des Festivals beitrug, modert nun schon lange vor sich hin. Von den versprochenen Restaurierungsarbeiten ist nichts zu bemerken.

Beobachter werten als untrügliches Zeichen der Krise auch die Tatsache, dass heuer keine große italienische Automarke – wie noch im Vorjahr Maserati – als Hauptsponsor des Festivals auftritt. Und was den Ansturm auf die Kinos betrifft: Da haben viele Festivalbesucher das Gefühl, mit weniger Menschen in den Schlangen zu stehen als noch in den Jahren zuvor.

Sparen oder nicht: Festivalchef Alberto Barbera hat trotz abgeschlanktem Filmprogramm dafür gesorgt, große internationale Namen anzulocken. Zum Beispiel Al Pacino: Von ihm bekommen wir heuer in gleich zwei Beiträgen eine große Dosis verpasst . "Vielleicht bin ich ja depressiv und weiß es nur nicht", kommentierte Pacino bei der Pressekonferenz lakonisch seine Rolle als abgewrackter Shakespeare-Schauspieler in Barry Levinsons "The Humbling".

Philip Roth

"The Humbling" (außer Konkurrenz) basiert auf dem Roman des Bestseller-Autors Philip Roth, und es wäre nicht Roth, würde sich nicht ein alter Mann in eine viel jüngere Frau verlieben. Zum Glück spielt die umwerfende Greta Gerwig ("Francis Ha") das Liebesobjekt des alten Herrn und versetzt mit ihrem spröden Charme der Klischee-Situation die nötigen Kinnhaken. Auch Pacino als Liebhaber der jungen Frau, die noch dazu eigentlich lesbisch ist, bringt genügend Selbstironie auf, um überzeugend nicht nur mit der Sinnkrise des Alters, sondern auch seinem Hexenschuss zu kämpfen.

Insgesamt bleibt Levinsons Drama etwas verwaschen und unbalanciert, doch gerade die Beziehung zwischen Gerwig und Pacino hält bis zum Ende ihre vibrierende Spannung. Außerdem beweist Pacino sein Talent zum Komödianten: Wenn er beim Tierarzt nach einer Beruhigungsspritze, die ein Pferd umgehauen hätte, nur sabbernd sprechen kann, hätte man vor Lachen aus dem Sessel fallen können.

In dem Wettbewerbsbeitrag "Manglehorn" hingegen, wo Al Pacino (schon wieder) einen grantigen alten Kerl in der Sinnkrise spielt, ist er fast nicht auszuhalten. Schuld daran trägt in erster Linie die schnarchlangweilige Story, aus der man ewig nicht herausfindet: Als verbitterter Besitzer eines Schlüsseldienstes murrt sich Pacino von Szene zu Szene, ehe ihn Holly Hunter in einer völlig unterbelichteten Rolle als Bankbeamtin rettet. Regie führte der bislang sehr patente Amerikaner David Gordon Green ("Prince Avalanche"), bei dem man sich jetzt aber doch fragen muss, ob er nicht ein wenig überschätzt wurde? "Manglehorn" markiert jedenfalls einen Tiefpunkt im Bewerb.

Drei Herzen

Liebesgeschichte mit Hexenschuss
Coeurs
Vergleichsweise hell strahlt hingegen das Liebesdreieck des Franzosen Benoît Jacquot ("Leb wohl, meine Königin!"): Sein glasklares Melodram "Trois Coeurs" bietet seinen exzellenten Schauspielern eine tolle Bühne. Catherine Deneuve spielt die Mutter zweier Töchter, verkörpert von Charlotte Gainsbourg und Chiara Mastroianni, die übrigens auch im wirklichen Leben Deneuves Tochter ist. Beide Frauen verlieben sich unwissentlich in denselben Mann: Doch während die eine (Gainsbourg) nach Amerika auswandert, gründet er mit der Schwester eine Familie. Bei einem Wiedersehen bricht die alte Leidenschaft wieder auf und fährt wie ein Blitz ins Familienleben. Das Wohlbefinden dreier Herzen steht auf dem Spiel – und das des Mannes ist am schwächsten. Ein starker Film im Bewerb von Venedig.

Die Wettbewerbsfilme in Venedig

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