"Macht kaputt was euch kaputt macht"
Das diesmal mit Gymnastikbällen auf der Bühne agierende Ensemble (Michaela Bilgeri, Thomas Kolle, Kirstin Schwab, Tamara Stern, Benjamin Vanyek) beleuchtet und reflektiert einige Grundübel unserer Zeit: Empathielosigkeit, mangelndes Interesse an Kompromissen und fehlende Selbstreflexion. Selbst unter Gleichgesinnten scheint keine Grundeinigkeit mehr zu herrschen (siehe dazu auch SPÖ). Jede und jeder lebt in der eigenen Bubble, kocht sein eigenes Süppchen und weiß es besser als der andere. Das Einzige, was zählt und richtig ist, ist der eigene Standpunkt, der aber gar nicht erst erklärt, argumentiert werden muss: Ein "Du weißt ja, wie ich’s meine", scheint vielen mittlerweile zu genügen. Oder wie es Thomas Kolle am Punkt bringt: "Das verrückte ist, dass die Kommunikation zwischen den Menschen nicht besser wird. Wir haben immer mehr Tools. Wir können alles digital möglich machen, aber miteinander wirklich kommunizieren wird immer schwieriger."
Die live dargebotene Musik (Nadine Abado, Andreas Dauböck, Pete Simpson) bewegt sich zwischen Gospel, Elton John ("Sorry Seems To Be The Hardest Word"), und Ton Steine Scherben ("Macht kaputt was euch kaputt macht"). Das Bühnenbild ist düster: Via Videobeamer werden Bäume an die Leinwände projiziert, die vom Wind ordentlich geborgen werden. Sie stehen wohl sinnbildlich für die stürmischen Zeiten. Auch ein (böser?) Wolf dreht seine Runden. Wofür der steht, kann sich dann jeder selbst aussuchen: Krieg, Inflation, Herbert Kickl, Leistungsdruck... Der Fantasie sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt.
Auch auf der Bühne gibt es wenig zum Lachen: Sieht man dem wieder mit viel Leidenschaft und Energie aufspielenden Ensemble ins Gesicht, steht es um die Welt gerade nicht sehr gut: Augen werden verdreht, Köpfe geschüttelt und die Stirn in Falten gelegt.
Alles wird immer komplizierter
Das vom Aktionstheater Ensemble unter der Leitung von Martin Gruber erarbeitete Stück "Morbus Hysteria" trägt den Untertitel "Wir haben alle recht" und ist gewohnt gesellschaftskritisch - ohne belehrend sein zu wollen. In sehr unterhaltsamen und kompakten 70 Minuten wird aufgezeigt, wie die Aufspaltung und Unterteilung des ursprünglich gemeinsamen Wertekatalogs munter voranschreitet. Bei der Frage der Einteilung geht schon lange nicht mehr nur um links oder rechts, um oben oder unten, um konservativ oder liberal usw. Die Bruchlinien werden immer komplizierter, sind feiner, oft nicht genau zu erkennen, schwammig und an den Enden ausgefranst. Und genau mit diesen Ungenauigkeiten spielt das Stück. Während sich die Figuren auf der Bühne allesamt als links, offen, liberal verordnen würden, also an einem Strang ziehen müssten, werden durch ablehnende Aussagen, ein Mangel an Empathie und Verständnis, Gräben zwischen den einzelnen errichtet. Jeder gegen jeden. Ellbogen raus - und ab durch den Tag.
Am Ende des Stücks findet das Ensemble aber immerhin einen gemeinsamen Nenner: Es ist die Wut. Aber selbst beim Wütendsein ist man sich uneinig. Einig ist sich hingegen das Publikum: großer Jubel!
INFOS: "Morbus Hysteria. Wir haben alle recht" im Werk X in Wien Meidling: Weitere Termine: 1. bis 4.6., danach zieht das Stück nach Vorarlberg weiter: 15. bis 18. Juni im Theater Kosmos Bregenz.
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