Aktionstheater Ensemble fragt sich: Wie geht es weiter?

Maria Fliri, Michaela Bilgeri, Andreas Jähnert, Benjamin Vanyek und Fabian Schiffkorn (v. li. n. re.)
30 Jahre Aktionstheater: Im Wiener Werk X hatte am Mittwoch das Jubiläumsstück "Wie geht es weiter?" Premiere. Eine Kritik.

Die Ibiza-Affäre zieht weite Kreise. Die damit verbundene Empörung inklusive Regierungsauflösung beeinflusste auch das neue Theaterstück des Aktionstheater Ensembles. Viel habe Martin Gruber, Gründer und Leiter der schnellen politischen Eingreiftruppe bei „Wie geht es weiter – die gelähmte Zivilgesellschaft“ aber nicht uminszenieren müssen. Denn am politischen Machismo arbeitet sich der 52-jährige Theatermacher ohnehin seit nunmehr 30 Jahren ab. Geändert bzw. aktualisiert wurde dann aber trotzdem noch die eine oder andere Passage.

Und so weht beim Jubiläumsstück, das am Mittwoch im Werk X Wien-Premiere hatte, auch immer wieder eine Brise Ibiza durchs Theater. Man hört das berühmt-berüchtigte "zack, zack, zack". Die Schauspielerin Michaela Bilgeri sagt immer wieder "Genug ist genug". Aber ein bisschen mehr geht immer... Nachdem sie beschrieben hat, wie sie in jungen Jahren zu ihrem Orgasmus gekommen ist, legt sie die Themen, fest, über die es in der kommenden Stunde gehen soll: "Umweltschutz ist ein Riesenthema bei uns. Soziale Gerechtigkeit ist ein Riesenthema bei uns. Afrika ist ein Riesenthema bei uns. Selbstbefriedigung ist ein Riesenthema bei uns." Danach bittet sie ihre Schauspielkollegen auf die Bühne: Maria Fliri, Andreas Jähnert, Thomas Kolle, Fabian Schiffkorn und Benjamin Vanyek.

Aktionstheater Ensemble fragt sich: Wie geht es weiter?

Wohlstandswampe
Entstanden ist das Stück in gewohnter Aktionstheater-Manier: Grubers Jubiläums-Produktion beruht auf einen Text, der durch Erfahrungsaustausch und Recherchen der Darsteller gemeinsam erarbeitet wurde. Die Diagnose lautet: Die Gesellschaft ist gelähmt und das soziale Gleichgewicht längst Utopie. Das Bürgertum streichelt sich im Eigenheim zufrieden seine Wohlstandswampe, während viele oft nicht wissen, wie sie am Monatsende die Miete bezahlen sollen.

Die Schauspieler beginnen bei sich, erzählen Geschichten des alltäglichen Lebens, von Verzweiflung, Wut, Glück und Belanglosigkeiten. Benjamin Vanyek hält etwa minutenlang einen Monolog über seine Vorliebe für Vollmilch-Schokolade und seine Ablehnung von Fairtrade-Schokolade. 

Dazu erklingen elektronische, teils verstörende Sounds von Kristian Musser, über die Sänger Pete Simpson live seinen beeindruckenden Gesang legt. Das Bühnenbild ist gewohnt karg – außer den Seitenwänden mit einer Videoinstallation von Thomas Bechter, auf denen zwei Bäumen zu sehen sind, die während des Stücks wachsen, steht nichts herum.

Autoreifen
Wesentlich mehr passiert im Zentrum: Die Darsteller (allesamt großartig!) schleppen mit angedeuteten Tanzschritten einen Autoreifen mit sich herum. Nicht grundlos, wie Michaela Bilgeri im KURIER-Gespräch sagt: "Sie spielen auf mehreren Ebenen eine Rolle. Zum einen ist da natürlich diese Umwelt- und Afrika-Assoziation. Zum anderen spielen diese stupiden Wiederholungen, das Aufnehmen und Ablegen des Reifens, diese vollkommen sinnlosen Aktivität auf den Mitläufer-Effekt an: Wenn es alle machen, macht man halt mit." Die Reifen sind aber auch ein Synonym für das Kreuz, das jeder zu tragen hat.

Aktionstheater Ensemble fragt sich: Wie geht es weiter?

Am Ende wird es auf der Bühne langsam finster. Und kälter. Und verzweifelter. Wäre Frust als Materie greifbar, läge er in großen Haufen herum. 

In „Wie geht es weiter?“ bleibt einem das Lachen immer wieder im Halse stecken. Kalt lässt einem dieses intensive, clever arrangierte Stück nicht. Und somit hat das Aktionstheater sein Ziel erreicht.

Nächste Termine: 
13. Juni (19.30)
14. Juni (19.30)
15. Juni (19.30)
16. Juni (19.30)
Werk X, Oswaldgasse 35A, 1120 Wien.
Karten und mehr Infos finden Sie hier. 

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