Netrebko ist diesmal also nicht mehr dabei, sie hat gerade in Verona in einem abenteuerlichen Outfit Turandot gesungen, passt eh. Vor allem, weil man dadurch gar nicht in die Verlegenheit kam, ihren Mann als Radamès engagieren zu müssen, sondern einen erstklassigen Tenor mit seinem Rollendebüt beauftragen konnte: Piotr Beczala, der die Partie für eine (Corona-bedingt verschobene) Premiere an der New Yorker Met vorbereitet hatte, war nun bereits in Salzburg als ägyptischer Feldherr zu hören.
Schon das "Celesta Aida" singt er gleichermaßen ausdrucksstark wie zart, in der Folge berührt er sowohl in der lyrischen Duetten, als auch in den dramatischen Passagen mit seinem Timbre, feinen Kantilenen und viel Italianità. Beczala ist als Radamès geradezu ideal.
Ausgezeichnet auch die Einspringerin Ève-Maud Hubeaux als markante, stets kultiviert singende Amneris, die das eigentliche Zentrum dieser Produktion bildet. Elena Stikhina, die Aida, bezaubert mit ihrem schönen Sopran, ihre Intonation wird im Laufe des Abends präziser. Erwin Schrott, der Ex von Netrebko, ist ein fabelhafter Ramfis, Luca Salsi hat als Amonasro bestimmt mehr Potenzial als diesmal bei der Wiederaufnahme.
Besonders viel Luft nach oben hat jedoch die musikalische Gestaltung durch Alain Altinoglu und die Wiener Philharmoniker. In den kammermusikalischen Momenten hört man, wie herausragend dieses Orchester zu spielen vermag, wie viel Fragilität und Grazilität es in diesem wuchtigen Werk Giuseppe Verdis freizulegen imstande ist. In den Massenszenen wackelt es jedoch gewaltig, etwa in der Koordination mit dem Wiener Staatsopernchor, Einiges ist asynchron, manche Tempi wirken allzu willkürlich. Das geht wesentlich besser als mit Altinoglu am Pult.
Szenisch – vor allem diesem Bereich galt ja die zweite Chance – ist die Arbeit von Shirin Neshat viel stringenter als 2017, als sich die Künstlerin offenbar in Ehrfurcht vor ihrer ersten Opernregie zu sehr zurückgehalten hatte. Die im Iran geborene und in New York lebende Neshat zeigt nun im Großen Festspielhaus eine harte Abrechnung mit Krieg, da gibt es nichts Heldisches oder zu Feierndes, sondern nur Verlierer und viel Blut. Auch die Themen Unterdrückung der Frauen, verbotene Nacktheit und Kleidervorschriften in islamischen Ländern spielen hier eine wesentliche Rolle.
Shirin Neshat zeigt all das sehr subtil, mit der ihr eigenen Poesie. Die Filmemacherin verwendet zahlreiche Videos, von Booten am Meer (natürlich denkt man an Migranten), von religiösen Aufwieglern, von Trauernden. Und immer wieder setzt sie Bilder aus den Filmen real auf der Bühne fort oder lässt Bühnenfiguren in den Videos weiterleben. Die Projektionen sind auf einem weißen Drehkubus (Christian Schmidt) zu sehen, mehr braucht sie auf der Bühne nicht. Vor allem der Triumphmarsch ist eine harte Abrechnung mit fehlgeleitetem Heldentum, da wird niemand begnadigt, sondern nur gemordet.
Allerdings ist die Personenführung statisch, konservativ und im Widerspruch zur Bühnenästhetik. Und in zentralen musikalischen Momenten – "Celeste Aida", Nil-Arie etc. – lenken die Videos vom Wesentlichen ab. Dass Shirin Neshat aber auch in neuen Gefilden eine große Künstlerin ist, wird in dieser Arbeit völlig klar.
Kommentare