Adèle Haenel: "Nicht geduldig und nett"

Hilfe für den impotenten Nazi-Enkel: Adèle Haenel mit Lars Eidinger
Adèle Haenel spielt in der Tragikomödie "Die Blumen von gestern" erstmals eine Rolle auf Deutsch.

Adèle Haenel hat einen österreichischen Vater. Deutsch sprechen konnte sie bis vor kurzem trotzdem nicht – "typisch französisch", wie sie selbst eingesteht. Erst das Rollenangebot des deutschen Regisseurs Chris Kraus für seine Holocaust-Tragikomödie "Die Blumen von gestern" (derzeit im Kino) inspirierten die junge Französin zum Schnellsiedekurs: "Ich habe mich drei Monate eingesperrt und deutsche Grammatik gelernt. Danach habe ich zu sprechen begonnen", sagt sie im KURIER-Interview – natürlich auf Deutsch.

Adèle Haenel ist – zumindest in Frankreich – längst kein Geheimtipp mehr. Die 28-jährige Schauspielerin war dort bereits mehrfach für den französischen Filmpreis César nominiert und gewann ihn 2014 schließlich als beste Nebendarstellerin für "Die unerschüttterliche Liebe der Suzanne". Bereits 2012 wurde sie von der European Film Promotion zum "Shooting Star" erklärt.

Adèle Haenel: "Nicht geduldig und nett"
Cast member Adele Haenel attends a news conference for the film "La fille inconnue" (The Unknown Girl) in competition at the 69th Cannes Film Festival in Cannes, France, May 18, 2016. REUTERS/Jean-Paul Pelissier
Ihre Rolle als junge Ärztin in dem Cannes-Beitrag der Dardenne-Brüder "Das unbekannte Mädchen" machte sie über die französischen Grenzen hinaus bekannt.

Und nun hat sie an der Seite von Lars Eidinger ihr Debüt im deutschen Film.

"Ich weiß nicht, warum mich Chris Kraus engagiert hat", lacht Haenel: "Ich glaube, er hat mir vertraut."

"Die Blumen von gestern" erzählen von dem deutschen Holocaust-Forscher Toto (Lars Eidinger), der als Spross einer Nazi-Familie versucht, die üble Vergangenheit seiner Familie zu bewältigen. Plötzlich bekommt er eine junge französische Jüdin – Adèle Haenel als Zazie – als Assistentin. Das freut ihn vorerst gar nicht, zumal Zazie mental zwischen Hysterie und Drama schwankt. Was das Verhältnis von Humor und Holocaust anbelangt, ist sie jedoch geradlinig: "Ein Holocaust-Forscher ohne Humor ist wie ein Popo ohne Loch."

Schrill

"Traumatische Themen sind das Herz des Humors", sagt Haenel über ihre Rolle: "Humor macht das Leben leichter, und Chris Kraus’ Weise zu lachen ist gar nicht so einfach." Womit sie recht hat. Die erotische Anziehung zwischen zwischen dem Nazi-Enkel und der jungen Jüdin, ist für sie durchaus nachvollziehbar: "Jeder versucht, mit der Vergangenheit Frieden zu schließen. Ich kann diese Gefühle verstehen."

Dass sie aber viel mehr sein kann als nur das schrille Mädchen aus Frankreich, bewies sie mit ihrem glasklaren Spiel bei den Dardennes. Oder in Rollen wie "Liebe auf den ersten Schlag", wo sie eine taffe junge Frau spielt, die im Wald Überlebenstraining macht.

Einen Film, in dem sie die nette Freundin verkörpert, wird man so schnell nicht finden: "Die Möglichkeiten für Frauen im Kino sind super-eng", beschwert sich Adèle Haenel: "Weiblichkeit wird immer mit geduldig, nett und hilfsbereit assoziiert, und das mag ich nicht."

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