Zum Ende der Rosenhügelstudios: Hier entstanden unsere Filmklassiker
Jetzt ist’s also endgültig vorbei mit den Studios, in denen österreichische Filmgeschichte geschrieben wurde. In wenigen Tagen beginnt der Abbruch der Ateliers am Wiener Rosenhügel, in denen Kinoklassiker mit Paula Wessely, Romy Schneider, Curd Jürgens, Willi Forst und Hans Moser entsanden. Für Oscar-Preisträger Michael Haneke stellt die Zerstörung der Filmstadt einen dramatischen Einschnitt dar, "weil von jetzt an in anderen Ländern gedreht werden muss".
Modernstes Filmatelier
Die auf dem Gelände einer ehemaligen Meierei in Wien-Liesing errichteten Studios wurden 1923, noch in der Stummfilmzeit, als "Europas modernstes Filmatelier" nach amerikanischem Vorbild eröffnet. Die Sensation der auf einem Areal von 32.000 betriebenen Ateliers war eine Drehscheibe, auf der man die Dekorationen nach dem jeweiligen Stand der Sonne bewegen konnte.
Doch die Rosenhügel-Betreiber hatten es von Anfang an schwer, gegen die übermächtige Konkurrenz in Hollywood zu bestehen. Also meldeten die Studios bereits ein Jahr nach ihrer Eröffnung Konkurs an und verfielen in einen langen Dornröschenschlaf. Die Wiedereröffnung des Rosenhügels mit dem Film "Maskerade" war dann aber 1934 gleich ein künstlerischer Paukenschlag, mit dem Paula Wessely über Nacht der Durchbruch gelang.
Fatale Falschmeldung
Als Heinz Rühmann hier mit Hans Moser "13 Stühle" drehte, zeigte man ihm im Studio eine Zeitung mit der Falschmeldung "Hans Moser ist tot!" "Alle waren schockiert", erinnerte sich Rühmann, "bis Moser etwas später gut gelaunt am Rosenhügel eintraf und fragte, warum denn alle so traurig sind". Rühmann zu Moser: "Mensch, Hans, das ist ’ne tolle Reklame für dich, das hätte der beste Pressechef nicht erfinden können."
Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten und der "Arisierung" der im Besitz des Filmindustriellen Oskar Pilzer stehenden Ateliers vereinte Propagandaminister Goebbels die Rosenhügel- und die "Sascha"-Studios in Sievering zur "Wien-Film". Willi Forst drehte 1941 mit ungeheurem Pomp "Wiener Blut" in der Kulisse des Wiener Kongresses, wobei kaum jemandem auffiel, dass am Rosenhügel zu den Melodien von Johann Strauß getanzt wurde, obwohl der "Walzerkönig" erst zehn Jahre nach dem Kongress zur Welt gekommen war. Und während im Kino die lieblichen Walzerklänge zu hören waren, kamen auf den Schlachtfeldern und in den Konzentrationslagern der Nazis Millionen Menschen ums Leben.
Nicht nur ruhmreich
In den letzten Tagen des "Dritten Reichs" langte aus Berlin die Anweisung ein, die Rosenhügelstudios in die Luft zu sprengen – doch der Befehl wurde nicht mehr ausgeführt. So konnten hier bald schon die ersten Nachkriegsfilme entstehen, darunter "Das singende Haus" mit Curd Jürgens. Der Rosenhügel befand sich nun in der Sowjetzone, und die Arbeitsbedingungen waren unvorstellbar, erzählte Franz Antel: "Wir drehten ausschließlich nachts, weil es tagsüber keinen Strom gab. Und die eleganten Vorhänge, die man in dem Curd-Jürgens-Film sah, waren aus Klopapier."
Die Nachkriegssituation des österreichischen Films dokumentiert ein Witz aus dieser Zeit treffend:
Der Nachkriegs-Witz
Vier Wiener sitzen im Kaffeehaus. Sagt einer: "Mach ma an Film. Ich hab einen reichen Fleischhauer, der gibt a Million!"
Der zweite: "Großartig. Ich weiß an reichen Gemüsehändler, der gibt auch a Million."
Der dritte: "Ich kenn an Schleichhändler, der gibt noch a Million. Drei Millionen, damit könnt ma an Film machen."
Und der vierte: "Schön und gut. Die Millionen sind ka Problem. Aber wer zahlt jetzt unseren Kaffee?"
Doch selbst ein solcher Welterfolg konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ab den 1960er-Jahren die Verdrängung des Kinos durch das Fernsehen einsetzte. Die Hallen am Rosenhügel verfielen und das riesige Areal, auf dem man ganze Städte errichten konnte, schrumpfte zusammen, weil Teile des Geländes verkauft wurden.
"Charleys Tante"
Einige Male noch bewiesen die auch "Hollywood an der Donau" genannten Rosenhügelstudios internationales Format, etwa als Liz Taylor 1977 "A little Night Music" aufnahm. Und zuletzt entstanden in der vom Produzenten Kurt Mrkwicka betriebenen "Filmstadt Wien" Michael Hanekes "Die Klavierspielerin" und Robert Dornhelms "La Bohème" mit Anna Netrebko und Rolando Villazón.
Doch im Vorjahr verkaufte der ORF die Ateliers um kolportierte 17 Millionen Euro an einen Baukonzern und eine deutsche Handelskette. Im Dezember beginnt der Abriss der Gebäude mit Ausnahme der unter Denkmalschutz stehenden Synchronhalle und der Halle 1, deren künftige Nutzung noch nicht entschieden ist. Fest steht, dass auf dem Areal Wohnungen und ein Supermarkt gebaut werden.
Das letzte Atelier
Mit dem Rosenhügel schließt Wiens letztes großes Filmatelier, durch das ein Hauch der Geschichte weht. Denn die alten Studios in Sievering und Schönbrunn sind längst nicht mehr in Funktion.
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