1983 wurde, zuerst relativ unbemerkt, Salzburg von der Festspiel- auch zur internationalen Kunstmetropole. Zumindest die Vorarbeit war getan: Thaddaeus Ropac öffnete seine Galerie.
Heute ist Ropac einer der wichtigsten internationalen Kunstplayer, seine Galerie hat Standorte in Paris, London und Seoul. Und sie feiert den 40. Geburtstag mit einer Jubiläumsschau (siehe unten, die Bilder in diesem Artikel sind aus der Ausstellung). Da stellt sich zuerst einmal eine Frage an den Jubilar:
KURIER: Warum Salzburg?
Thaddaeus Ropac: Ich kannte Wien nicht und ich kannte Salzburg nicht. Wenn heute geschrieben wird, ich wollte die Festspiele als Bühne für meine Galerie nützen, ist das Schwachsinn. Ich habe überhaupt nichts über die Festspiele gewusst! Ich wusste nur, dass Mozart Salzburger war. Und dann ist mir das Buch „Die Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka in die Hände gefallen. Darin beschreibt er, warum er in den 1950er-Jahren diese Akademie in Salzburg gegründet hat. Die Beschreibung dieser freien Universität ohne Aufnahmeprüfung hat mich sehr an Beuys erinnert. Der wurde ja aus der Akademie geworfen, weil er sagte: jeder ist ein Künstler, und jeden aufnahm. Da dachte ich: Salzburg, das muss ja die freieste und offenste Stadt sein.
Hat sich dieser Eindruck bestätigt?
Neben der Sommerakademie habe ich die Stadt erlebt und abends überall jungen Menschen mit ihren Instrumenten-Koffern am Rücken gesehen. Diese Stadt existiert wirklich für die Kunst, dachte ich. Ich habe nicht ganz bedacht, dass das auf bestimmte Zeiten eingeschränkt ist. Dass es dann im Herbst schon eine Kleinstadt wird wie viele andere in Mitteleuropa.
In der es derzeit im Umfeld des Festspielstarts sehr viel Kritik an der Landesregierungsbeteiligung der FPÖ gibt. Wie empfinden Sie das?
Es schockiert mich und enttäuscht mich und verunsichert mich zutiefst, wie es hier abläuft. Man darf nicht vergessen, Salzburg war die einzige Stadt in Österreich, in der es wirklich zu Bücherverbrennungen gekommen ist. Dass jetzt eine so rechtslastige Partei mitgestaltet, das ist schon sehr bedrückend und irritierend. Das ist jetzt ein anderes Salzburg. Dieses Salzburg kenne ich nicht.
Die Jubiläumsschau
Dreimal Joseph Beuys, porträtiert von Andy Warhol. Eine Gemeinschaftsarbeit Warhols mit Francesco Clemente und Jean-Michel Basquiat. Dazu das tolle Basquiat-Selbstporträt, das bereits Plakatmotiv der Albertina-Schau 2022 war. Starke Werke von Arnulf Rainer, Maria Lassnig und Georg Baselitz aus den 1980ern: Viel von dem, was die Galerie Ropac in ihrer Jubiläumsschau in Salzburg (bis 30. September) auffährt, verdient die Bezeichnung „museal“. Nur stellt sich die Galerie selbst ins Museum und beschwört den Esprit ihrer Gründungsjahre.
Die Energie jener Zeit vermittelt sich in der Schau sofort. Darüber hinaus veranschaulicht sie die Keimzelle dessen, was sich als le goût Ropac, also die spezielle Ästhetik des heute weltumspannenden Galerieprogramms, bezeichnen ließe: Die neo-expressive Malerei blieb darin ebenso erhalten wie der Impuls, Kunst zu popularisieren, ohne sie dabei zu banalisieren.
Die Kombination der (teils Ropacs eigener Sammlung entnommenen) Schätze der Frühzeit mit brandneuen Arbeiten von Künstlern der Galerie zeigt auch, wie Kunst seither größer, repräsentativer, ambitionierter wurde. Ob sie auch besser wurde, darf anderswo reflektiert werden – ebenso wie die Frage, was all das mit Reichtum und steigender Ungleichheit zu tun hat. Dass Ropac in der Entwicklung stets die Kunst und das Wohl „seiner“ Künstlerinnen und Künstler im Blick hatte und hat, ist aber offensichtlich – und verdient Respekt.
Michael Huber
Wie hat denn die Galerie 1983 finanziell funktioniert?
Es hat gar nicht funktioniert! Es waren andere Zeiten. Die Künstler haben gar nicht erwartet, dass man wirklich ihre Werke verkauft. Ich habe bei den Ausstellungen nichts verkauft – auch wenn man heute noch sagt, dass etwa diese erste Basquiat-Ausstellung 1984 legendär war. Ich habe mich damals von Ausstellung zu Ausstellung gehantelt und Nebenjobs gehabt. Publikum kam kaum.
Wie schafft man es dann?
Es gab Menschen, die mich unterstützt haben. Etwa Hans Widrich, damals Pressechef der Festspiele. Ich bin mit einem großen Werk von Basquiat – auf einem riesigen Holzbrett! – einmal im Stiegenhaus stecken geblieben. In meiner Verzweiflung rief ich Hans Widrich an. Er sagte spontan: Bring es ins Festspielhaus, wir zeigen es dort. Das waren wunderbare Salzburger Erlebnisse. Es hat sich herumgesprochen, dass es in Salzburg diese kleine Galerie gab, die interessante Werke zeigt. Und dann sind sie gekommen. Ab 1985 bis 1987 ungefähr ist sie zu einem Anziehungspunkt geworden. Aber auch dann war alles viel langsamer. Wir haben lange überlegt, ob wir in ein Faxgerät investieren sollen! In den Jahren sind einige Künstler leider verstorben, das gab dem Ganzen einen Auftrieb.
Und 1990 expandierten sie nach Paris.
Manche Künstler haben gemeint: Salzburg ist ja recht und schön, aber wenn sie mir wichtige Werke geben, dann wollen sie die lieber in der Stadt ausgestellt sehen, in der es ein wirkliches Publikum gibt. Nach Berlin oder Wien wollte ich nicht gehen, London war mir zu weit. Ich habe Paris gewählt, weil ich mir vorgestellt habe, dass ich dort mit dem Auto hinfahren kann. Später bin ich dann öfter mit dem Nachtzug hin- und hergefahren.
Wie kamen Sie denn zu den Künstlern?
Andy Warhol nahm mich mit zu Basquiat. Ein Gespräch zu führen war schwierig, weil die Musik so laut war. Von diesem Treffen habe ich die ersten Zeichnungen mitgenommen. Und später dann die Ausstellung in Salzburg gemacht. Das ist gut gegangen, aber es gab keinen Vertrag, keine Vereinbarung. Ich habe ihn später gefragt, warum er mir vertraut hat, er sagte: Du kamst mit Andy!
Nein, das waren ganz andere Zeiten, unvergleichlich. Die Kunstszene war damals sehr abgeschlossen, sehr exklusiv. Es war schwierig, niemand sollte hineinkommen. Und es war völlig unkommerziell, die Künstler haben jeden Verkauf gefeiert. Die Szene ist inzwischen vom Elfenbeinturm in die Mitte des Lebens gekommen. Heute ist sie inklusiver geworden, jeder kann daran teilnehmen.
Der Kunstmarkt, wie wir ihn heute kennen, begann in den 1990ern, oder?
Ich habe den Standort Paris 1990 eröffnet – und 1992 kam eine große Kunstmarktkrise, die ich beinahe nicht überstanden hätte. Das war völlig unerwartet. 1993, 1994 war sie vorbei – und dann begann sich der Markt wirklich zu vergrößern. Die Krise 2008 haben wir nicht mehr so wahrgenommen, da war die Galerie bereits abgesichert. Auch im Moment gibt es eine Seitwärts- oder Abwärtsbewegung am Kunstmarkt. Inzwischen finde ich das ja ganz gut.
Warum?
Weil es den Markt bereinigt und uns aus der Spekulation rauszieht. Der Kunstmarkt hat die Krisen nützen können, um die Überhitzung zu reduzieren. In den Nullerjahren vor 2008 war sehr viel Geld im Umlauf, es gab überhitzte Kapitalmärkte. Ich war 2008 gerade in Moskau, Roman Abramowitsch hat dort sein Museum eröffnet. Am selben Abend kam die Nachricht von der Krise der Lehman Brothers. Wir sind dann alle mit verkatertem Gesicht und besorgten Mienen abgeflogen. So schnell kann es gehen.
Wäre ich ein junger Künstler – wäre es 1983 oder 2023 besser für mich?
Jetzt, keine Frage! Die Kunstwelt war damals so verschlossen, es gab diese Dominanz der USA und von Europa. Heute schauen wir in alle Ecken der Welt. Es ist auch, vielleicht abgesehen vom letzten Jahr, die beste Zeit für junge Galeristen. Es ist hart, aber es war immer hart. Aber heute findet man eine Offenheit, die es früher nicht gab.
Schön! In anderen Kunstsparten heißt es immer, die Vergangenheit war besser.
Auch in der Kunst! Da wird eine Zeit heraufbeschworen, die es so gar nicht gab. Wenn die Älteren sagen, das ist alles heute so kommerziell, das ist so schrecklich, sage ich: Bitte, was war denn so toll an diesem Elfenbeinturm und an dieser Exklusivität? Das war doch eine Arroganz und eine Ignoranz, wenn man den Großteil des Planeten völlig ausschließt. Ja, ich war auch Teil davon, ich habe zumindest nichts dagegen getan.
Ist die Öffnung abgeschlossen?
Nein, hoffentlich nicht. Künstlerinnen mussten sich in der männlich dominierten Szene durchsetzen, wie auch die Kunst von Schwarzen Künstlerinnen und Künstlern. Diese wurde einfach kaum beachtet, obwohl Basquiat einer der Superstars wurde. Nur kann man nicht sagen, dass das für den afroamerikanischen Bereich viel bewirkt hat. Er wurde als ein Exot gesehen, was ja ein vollkommenes Missverständnis ist. Eigentlich eine Beleidigung.
Und heute?
Heute ist es die Diversität. Ich glaube, die Kunstwelt geht dann oft einen Schritt schneller und einen Schritt weiter. Und das merkt man bei einer political correctness, die ich dann auch wieder bedenklich finde, wenn sie zu weit geht oder Künstler einschränkt. In Europa sieht man das etwas gelassener.
Da muss man die Diversitätssignale setzen, sonst funktioniert es nicht?
Ja, sonst wird man wirklich einer Kritik ausgesetzt, wo es dann nicht mehr um das Werk der Künstler geht, sondern einfach um die Quote. Ich glaube, das Pendel schlägt jetzt im Moment sehr extrem aus - und das wird sich wieder ausbalancieren. Aber nur so geschieht Veränderung.
Ein großes Thema in den Museen ist auch das Klima.
Im Kunsthandel natürlich auch! Wir sind Teil einer Initiative, welche unseren Footprint bis 2030 halbieren soll. Wie das gehen soll, ist mir noch ein bisschen unklar. Aber wir werden das schaffen. Wir machen Schritte – kleine Schritte, aber Schritte. Wir arbeiten daran alle Gebäude, die wir betreiben, von Gas, Öl und Kohle zu befreien. In Salzburg sind wir auf Erdwärme umgestiegen – ein komplizierter Umbau! Und wir versuchen Kunstwerke auf dem Seeweg zu verschicken. Das braucht viel mehr Planung – und oft monatelangen Vorlauf.
Vor allem, weil ja vieles vom Kunstmarkt inzwischen in Asien spielt. Ist der dortige Markt voll erschlossen?
Das braucht noch viel Arbeit! Was den Markt betrifft ist Asien bis auf Korea und Japan noch wirklich teilweise der Wilde Westen. Ich bin da geduldig, wir sind ja auch schon sehr lange dort aktiv.
Und Afrika?
Das ist im Moment ein gewaltiger produzierender Kontinent. Ghana ist beispielsweise ein Kunstzentrum geworden. Aber ich habe auch Sorge, dass die Kunst, die jetzt so hochgepriesen wird, dann bis auf wenige Ausnahmen zu schnell wieder vergessen wird. Diese Entwicklung gibt es oft nach einem Hype. Vieles davon wird es nicht in den Kanon schaffen.
Ihre Galerie ist international ein immens wichtiger Player. Gibt es eine Größe, ab der dieser Apparat selbst schwierig wird?
Wir sind jetzt sicher an einer kritischen Größe, das ist uns klar. Wir werden weiter wachsen. Das ist das, was uns die Zeit vorgibt. Da müssen wir mehr und mehr aufpassen, dass wir nicht die Kontrolle verlieren. Wir haben einen sehr persönlichen Zugang, unser Team besucht die Künstlerinnen und Künstler häufig und telefoniert fast täglich. Das wird von diesen auch sehr bemerkt. Aber manchmal schaffe ich es schon jetzt nicht, bei jeder Eröffnung dabei zu sein, weil es einfach physisch zwischen den Kontinenten nicht geht. Wir versuchen die Vorteile des Ständig-Größer-Werdens wirklich umzusetzen, da ein immer größeres Team dann einfach immer besser arbeiten kann. Und wir bieten den Künstlern Infrastrukturen, die man sonst vielleicht nicht so sehen oder bieten kann. Und andererseits müssen wir aufpassen, dass uns die Größe dann nicht zu einem Riesenapparat verkommen lässt.
Was folgt?
Wir eröffnen im Herbst das nächste Geschoß in Seoul mit einer Ausstellung zu Beuys und Donald Judd. Ein tolles Projekt! Und ja, dann werden wir irgendwann den nächsten Standort bekannt geben. Aber nicht heute.
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