3Sat: TV-Doku hinterfragt festgefahrene Rollenbilder
Einen halben Tag brauche er schon, um sich herzurichten. Ben ist 26 und Kunstvermittler, arbeitet im Kunsthistorischen Museum Wien und leitet dort Führungen – auf Anfrage als Dragqueen. Er spielt gerne mit Geschlechterrollen, wie er in der Doku von Constanze Grießler und Franziska Mayr-Keber erzählt, die heute (20.15 Uhr) auf zu sehen ist.
In „Die Abschaffung der Geschlechter. Typisch Mann, typisch Frau, typisch Was?“ zeigen die beiden Filmemacherinnen, dass unsere Welt nicht nur rosarot und hellblau ist. Denn etwa drei Prozent der deutschen, österreichischen und Schweizer Bevölkerung befinden sich zwischen „Mann- und Frausein“. Weil sie heute ein anderes Geschlecht haben als bei ihrer Geburt. Oder weil sie sich weder mit dem einen noch mit dem anderen identifizieren.
Vor welchen Schwierigkeiten sie oft stehen, erzählt Katta. Denn selbst wer im Internet so banale Dinge wie Katzenfutter bestellt, müsse ein „Kreuzerl“ bei „männlich“ oder „weiblich“ machen – oftmals handle es sich um ein Pflichtfeld. „Beides trifft aber für mich nicht zu“, sagt Katta. Auch bei Alltagsartikeln wie Shampoo müsse man sich entscheiden: Nehme ich ein Produkt für Frauen oder für Männer? Katta bezeichnet sich selbst als „nicht-binär“.
WCs und Pronomina
Ende Juni wurde das dritte Geschlecht durch den Österreichischen Verfassungsgerichtshof anerkannt. Neben „männlich“ und „weiblich“ muss es nun eine dritte Eintragungsmöglichkeit im Behördenregister geben. Die Entscheidung bietet reichlich Diskussionsstoff: Braucht es nun eigene Toiletten? Welche Personalpronomina sollen wir künftig verwenden? Werden neue Quotenregelungen notwendig? Diese Fragen diskutieren in der Dokumentation Autor und Kolumnist Harald Martenstein sowie Eva Blimlinger, Rektorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Zu Wort kommt auch Erik Schinegger, der 1966 als Erika Skiweltmeisterin im Abfahrtslauf wurde. Mit 20 Jahren entschied er sich – gegen viele Widerstände – für eine Operation seiner nach innen gewachsenen männlichen Geschlechtsorgane. Seitdem lebt er als Mann. Erst im Frühjahr war seine Geschichte in „Erik & Erika“ fürs Kino adaptiert worden. Vor seiner Operation habe man ihn immer unterstützt, in seinem „zweiten Leben“ habe er zunächst viel gelitten, so Schinegger.
Die Gründerin der Initiative „Pinkstinks Germany“, Stevie , gibt einen Einblick in die Gendermarketingstrategien der Spielzeugindustrie. Wie starr die Kategorisierungen nach wie vor sind, zeige sich bei aktuell erhältlichen Spielwaren. Noch nie seien diese so stark nach Geschlechtern getrennt worden wie heute, kritisiert Schmiedel: Sogar scheinbar genderneutrale Gegenstände wie Musikinstrumente für Kinder werden in rosarot und hellblau angeboten.
Zu sehen sind in der Doku aber auch Beispiele, die zeigen, wie man festgefahrenen Geschlechterstereotypen erfolgreich den Kampf ansagen kann: Besucht werden etwa ein geschlechtersensibler Kindergarten sowie die „Fearleaders Vienna“ – das männliche Cheerleader-Team feuert regelmäßig die Frauen beim Vienna Roller Derby an. Selbstverständlich in knappen Hosen.
Kommentare