Zuviel Hitze und keine Zeit

Warum das mit der Wiener Gemütlichkeit immer schon ein Marketingschmäh war und was daran gar nicht so falsch ist
Barbara Beer

Barbara Beer

Im KURIER arbeiten wir stetig daran, unser Leserservice weiterzuentwickeln. Ausschließlich diesem Zweck dienend, begab sich das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten nun ins benachbarte Ausland, um für Sie, liebe Leserinnen und Leser, die kulinarischen Gegebenheiten in der italienischen Stadt Modena zu recherchieren. Dünnes Eis. Denn es kann unsympathisch werden, wenn man aus dem Ausland zurückkommt und daheim nur erzählt, wie schön es anderswo ist. Aber um eines kommt man nicht herum, wenn man von Modena und anderen italienischen Städten berichtet: Fantastische Markthallen und Feinkostläden bei gleichzeitiger Abwesenheit von Supermärkten im Zentrum. In Wien gibt es mehr Supermärkte als in jeder anderen Stadt. Dafür weniger Greißler und auch keine Markthalle (die Stadtregierung hat alle vernichtet, zuletzt den Landstraßer Markt). Stadträtin Sima wollte jetzt zwar wieder eine, das hätte aber nicht funktioniert.

Österreich hat eine enorme Supermarktdichte und jede Gemeinde freut sich über die hohen Abgaben, die so ein Supermarkt zahlt, auch die Gemeinde Wien. Man hat es den Wienern also angewöhnt, dort einzukaufen. Für alles andere fehlt ihnen nun die Geduld. Dass Wien eine gemütliche Stadt ist, halten wir für ein Gerücht. Oder haben Sie schon einmal einen Italiener zweite Kassa! brüllen hören?

Den Wienern fehlt aber auch die Zeit. Wissen Sie, was Wiener in der Mittagspause machen? Tastatur-Klopfen. Das kommt vom Weckerl vor dem Computer essen, danach muss man die Brösel aus der Tastatur klopfen.

Die Geschichte vom gemächlichen Wien war immer ein Marketingschmäh. Das ist aber nicht nur schlecht. Wir haben zwar keine Zeit zum Essen und daher auch keine Markthalle, aber wir hatten den gar nicht gemächlichen Falco. Vor vierzig Jahren ist sein Debütalbum Einzelhaft erschienen. Der erste Song: Zuviel Hitze. Hat möglicherweise die fortschreitende Zubetonierung Wiens und deren klimatechnische Auswirkungen vorausschauend thematisiert. Super Nummer, jedenfalls.

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