Wui sagen's in der Steiermark

"ÜberLeben": Das Geräusch von fallendem Schnee, der brave Hausmeister und der kleine Prinz.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich erwache um fünf Uhr früh, was für mich Nachtmenschen bedeutet, dass ich gerade drei Stunden geschlafen habe. Der brave Hausmeister hat seinen Schneepflug angeworfen und dreht seine Runden  durch die Wege  der Wohnsilo-Anlage, und der Dieselmotor singt sein grobes Lied, es klingt ein bisschen wie ein Betrunkener, der mit von Schnaps und Zigaretten aufgerauter Kehle beim Suchen nach dem Haustorschlüssel zu grölen beginnt.

In der Nacht hatte es geschneit, und auch das hatte ich gehört. Ist es Ihnen schon aufgefallen? Fallender Schnee macht ein Geräusch, eine Ahnung von einem sanften, gleichmütigen Klang, ganz nah an der Stille, man muss genau hinhören, um es wahrzunehmen. Ich finde, es gibt keinen besseren Soundtrack zum Schlafen.

Weil ich jetzt wach bin und so schnell nicht mehr einschlafen kann, greife ich nach dem Buch, das neben dem Bett liegt, es ist „Der kleine Prinz“, und für jeden, der mich kennt, ist das eine gute Pointe. Ich habe nämlich den kleinen Klugscheißer und seine schlauen Kalenderblatt-Sprüche immer gehasst. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, was ist das für ein Unsinn, man sieht mit dem Herzen überhaupt nichts, weil es nämlich keine Augen hat.

Ich musste den „kleinen Prinzen“ damals im Französisch-Unterricht lesen, also „Lö pöti bräus“. Ich war ein extrem schlechter Französisch-Schüler, ich verstand kein Wort, sondern immer nur „Schnörö dü schnö lö blö“. Einmal musste ich mit der Lehrerin Konversation führen, ich verwendete das einzige französische Wort, das mir gefahrlos erschien, nämlich „Oui“, also „Ja“. Die Französischlehrerin schüttelte wegen meiner Aussprache den Kopf und meinte resignierend: „Wui sagen’s in der Steiermark.“

Weil wir aber in seltsamen Zeiten leben, habe ich einen sehr weisen Menschen kennengelernt, der riet mir dringend, den „kleinen Prinzen“ zu lesen, und weil ich gerade sowieso nichts Besseres tun kann, lese ich ihn.

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