Jüngst hatte Ihr Wortklauber den Schalk im Nacken und begann sich mit Sekreten und Sekretärinnen zu beschäftigen. Also wurde ChatGPT mit folgender Frage gefüttert: „Was haben die Sekretärin und das Wort Sekret miteinander zu tun?“. Die Antwort kam in Sekundenschnelle: „Eine Sekretärin ist eine Person, die administrative oder organisatorische Aufgaben ausführt. Das Wort Sekret hingegen bezieht sich auf eine geheime oder vertrauliche Information. Es gibt keine direkte Verbindung zwischen den beiden Begriffen. Wenn Sie weitere Fragen haben, lassen Sie es mich bitte wissen.“
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Da reibt sich der Wortklauber erfreut die Hände, sichert so eine Antwort doch die Existenz von Kolumnen wie dieser. Hätte ChatGPT an der Uni-Vorlesung über die Geschichte der lateinischen Sprache regelmäßig teilgenommen, wäre die Antwort vielleicht so ausgefallen: Das lateinische Verb secernere bedeutet „abscheiden“, sein Mittelwort der Vergangenheit (secretum) dementsprechend „abgesondert“, „abgeschieden“. Das ist der Schlüssel zur Lösung unserer Frage: Ein Sekret ist eine (Körper-)Absonderung, während es sich beim Sekretär ursprünglich um den Leiter einer Verwaltungsstelle handelte, der von den Übrigen „abgesondert“ war: Er alleine hatte, als eine Art Geheimschreiber, Zugang zu vertraulichen Informationen und musste diese schützen.
Daraus erschließt sich auch die Bezeichnung des gleichnamigen Möbelstücks: Der „Sekretär“ genannte Schreibschrank verdankt seinen sonderbaren Namen dem Umstand, dass er oft mit Geheimfächern ausgestattet war, in denen Geld, vertrauliche Briefe oder Dokumente versteckt werden konnten. Der Inhalt dieser Laden war also top secret – womit Sie zuletzt auch noch einen englischen Ableger dieser Wortfamilie kennengelernt haben.
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Fundstück der Woche: „Bitte nur zwei Kunden aufeinander eintreten!“ (überlebenswichtiger Zettel auf der Tür einer Modeboutique in der Corona-Zeit)
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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