Dort, wo das Skiwasser fließt und ein "Sie" keine Bedeutung mehr hat

Der Geschmack von (selten optimal) mit Leitungswasser verdünntem Himbeer-Zitronen-Sirup gehört einfach zum Skierlebnis der Kindheit dazu.
Marco Weise

Marco Weise

Über 1.000 Meter ist man per Du. Sagt man. Es gibt dazu zwar keinen Gesetzesbeschluss, keinen Alpenreport, kein Naturgesetz oder Elmayer-Benimmregel, aber wer in Österreich in den Bergen unterwegs ist, weiß, dass beim Gipfelsturm ein „Servas, griaß di“ besser ankommt als ein „Hallo, ich grüße Sie“. Dabei ist es durchaus egal, ob man beim Wandern den Bundespräsidenten trifft oder auf der Alm neben einem Maurer aus Hintertupfing zum Sitzen kommt. Über 1.000 Meter sind alle gleich: Alle tragen (mehr oder weniger) dieselbe Funktionswäsche, einen Rucksack (mit Jause und Sorgen) mit sich herum oder quälen sich in beton-elastischen Skischuhen über viel zu enge und rutschige Stiegen hinab zum WC. In solchen Situationen hat das „Sie“ keine Bedeutung mehr. Außerdem will man manche Menschen nach dem gemeinsamen Erreichen eines Höhepunktes (am Gipfelkreuz, in der Schirmbar, am Selbstbedienungsbuffet) einfach nicht mehr siezen.

Über 1.000 Meter gilt aber nicht nur das Du-Wort, sondern steht auch etwas in der Getränkekarte, das man im Tal nur selten sieht (und auch selten bestellen würde): das Skiwasser. Es wurde quasi für Aufenthalte in Skihütten erfunden. In Österreich wächst man als Jugendlicher damit auf: Der Geschmack von (selten optimal) mit Leitungswasser verdünntem Himbeer-Zitronen-Sirup gehört einfach zum Skierlebnis der Kindheit dazu. Es löscht den Durst, liefert Energie in Form von Zucker und man muss danach auch nicht fünfmal rülpsen, weil ja keine Kohlensäure vorhanden ist. Es ist obendrauf auch noch super für die Gastronomen, die mit wenig Wareneinsatz den größten Gewinn machen. Manche übertreiben es dabei aber, verlangen für so ein Safterl (dazu zählt auch die große Schwester, das Himbeer-Soda) Fantasiepreise, sodass einem beim Einkehrschwung (auch im Tal) schwindelig wird. Das ist wohl Preisgestaltung nach dem österreichischen Prinzip: Wann’s einegeht.

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