Süßwein gilt als mega-out und das ist total falsch

Hierzulande fallen süße Tropfen in die Kategorie Ladenhüter – während man international Höchstpreise dafür zahlt.
Christina  Fieber

Christina Fieber

Es gibt etliche sinnlose süße alkoholische Getränke – edelsüße Weine zählen eher nicht dazu. Hierzulande fallen sie dennoch in die Kategorie Ladenhüter – während man international bereitwillig Höchstpreise dafür zahlt. Vermutlich kiefeln wir noch am Weinskandal 1985: bescheidene Gewächse wurden damals jahrelang mit Diethylenglykol, vulgo Frostschutzmittel, gepanscht, damit sie süßer und extraktreicher gerieten. Das war so billig wie beliebt.

Das Gebräu schickte man in Tankwagen ins Ausland. Als der Schmäh aufflog, sprach die Welt vom „österreichischen Giftwein“. Seitdem steht bei uns Süßwein unter Generalverdacht – es wird wohl noch ein paar Jahrzehnte dauern, ehe wir das Trauma verdaut haben.

Der Wine Advocate, das vermutlich wichtigste Weinmagazin der Welt, sieht das entspannter: Kürzlich adelte man den „Ruster Ausbruch 2014“ vom Weingut Ernst Triebaumer mit 100 Parker Punkten. Die begehrte Höchstnote kommt einem Ritterschlag gleich, der nur wenigen Gewächsen zuteil wird. In Österreich erst das zweite Mal.

Der Ruster Ausbruch ist eine Trockenbeerenauslese, also Wein aus Trauben, die vom Edelschimmel Botrytis Cinerae befallen wurden. Was nach ekliger Krankheit klingt, ist beim Weißwein eine Gnade. Nur wenige Regionen haben die mikroklimatischen Bedingungen dafür. Wer glaubt, Ruster Ausbruch sei schlicht süß, irrt. Die Balance zwischen Säure und Süße, das Spiel unterschiedlicher Aromen macht ihn im besten Fall grazil und vielschichtig – bei den Triebaumers ist das so, aber die zählen auch zu den Besten.

flaschenpost@kurier.at

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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