Wein der Finsternis

Weltpremiere: Der Schaumwein Untouched by Light entstand komplett in Finsternis. Ist es im Dunkeln gut sprudeln?
Juliane Fischer

Juliane Fischer

Der Vollmond schaut beim Fenster rein. Kein elektrisches Licht, die Bildschirme dimmen, lautete die Anweisung. Keine Sorge, das wird keine Séance, keine Geisterbeschwörung. Die 51 anderen, zum Beispiel in Chicago oder Brighton, wohnen wie ich einer virtuellen Weinvorstellung bei: Ein Nachtwein erblickt das Licht der Welt. Bei „Lesenacht“ habe ich bisher an Turnsaal, Schlafsack, Fackelwanderung gedacht. Aber es geht um die weltweit ersten Trauben (Pinot Noir statt Chardonnay hätte noch besser gepasst), die in Dunkelheit verarbeitet wurden.

Die slowenische Sektkellerei Radgonske Gorice hat sie nachts gelesen und unter einer Plane transportiert. Alles passierte in Finsternis mit Nachtsichtgerät: rebeln, pressen, gären, füllen, rütteln, degorgieren und in schwarzer Folie vakuumverschweißen. Gezündet wurde der Gedanke durch eine Studie der Sensorik-Professorin Ann C. Noble aus 1989. Sie besagte: Licht verändert den Geschmack. Der sogenannte „light strike“ or „gout de lumière“ würde nach nassem Hund oder Kohl schmecken.

Klar, macht es einen Unterschied ob ich ein Glas Sekt fünf Minuten in der prallen Sonne stehen lasse, aber was bewirkt so eine komplizierte, unnatürliche Arbeitsweise? Man hat zwar das Licht, aber keine Kosten und Mühen gescheut: Idee einer Kreativagentur, eigene Website, eigenes Branding und eine der 2.000 Flaschen (bei 480 Hektar und jährlich 4,5 Millionen Liter ein Funke) kostet 100 Euro. Ein spannendes Experiment, leider ohne Vergleichswein.

Sie kostet sich durch die Weinwelt, arbeitet als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten in Niederösterreich.
Auf den Geschmack gekommen? Bei Anregungen und Feedback zu Wein und Weinkultur schreiben Sie der Kurier-Freizeit-Redaktion unter flaschenpost@kurier.at

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