Von Luxus und Charakter
Hütteldorf ist eine Reise wert. Allein schon, um dem 49er-Würstelstand einen Besuch abzustatten. Er liegt an der Endstation der 49er-Tram, genauer gesagt in deren Umkehrschleife, wo zuvor fast ein halbes Jahrhundert lang die als „Lintschi“ bekannte Karoline Wieser Generationen von Schulkindern mit Zuckerln versorgte. In einem rosa Standl, das einer riesigen Packung Mannerschnitten glich. Heute verkauft Robert Schery dort Burenwurst, die von Kennern als beste der Stadt beschrieben wird.
Als die Wiener noch nicht in diesem Ausmaß motorisiert waren, war an schönen Wochenenden ziemlich viel los, wenn man von hier aus in den Wienerwald aufbrach. Heute ist das Lauteste, das man hört, das Quietschen der Straßenbahngleise.
Von diesem beschaulichen Ort aus führt entlang des Halterbachs die Bujattigasse, benannt nach dem Hofseidenwarenfabrikant Franz Bujatti, bekannt als „Wohltäter von Hütteldorf“. Etwas Wohltätigkeit wünscht man nun auch seiner ebendort vor sich hin darbenden Villa. Seit Jahrzehnten leer stehend, war sie zum fahlen Geisterhaus mit eingeschlagenen Fenstern und verblichener Fassade geworden, über dem bedrohlich die Abrissbirne pendelte. Zuvor soll eine kleine, weißhaarige Frau samt Puppensammlung die letzte Mieterin gewesen sein, weiß eine Nachbarin, die sich an einen „unheimlichen Kindermärchentraum“ an diesem verzauberten Ort erinnert. Dass dort zuletzt eine Kunstinitiative aktiv war, brachte wieder Leben ins Haus, half der bröckelnden Fassade aber auch nicht weiter. Nun scheint sich dort was zu tun. Die Hoffnung, dass das Haus saniert wird, lebt.
Denkmalgeschützt ist die Villa übrigens nicht, aber sie hat Charakter. Was man von etlichen, insbesondere in dieser Gegend wie die Schwammerln aus dem Boden wachsenden „Luxus“-Bauten nicht sagen kann. Schauen alle gleich aus und kosten ein Vermögen. Hätte das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten ein solches, wir würden es glatt in ein Haus mit Charakter stecken. Derzeit ist immerhin eine Wurst beim 49er drin.
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