Verdrängt

Dass sich Menschen, die kein Zuhause haben, auf Bahnhöfen aufhalten, ist kein Wiener Phänomen.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Experten haben schon vor der Einführung des Alkoholverbots am Praterstern darauf hingewiesen, dass sich Obdachlose wegen einer solchen Maßnahme nicht in Luft auflösen werden. Das Problem würde sich nur verlagern.

Genau das ist jetzt eingetreten. Seit das Alkoholverbot am 27. April in Kraft getreten ist, ist dort tatsächlich weniger los. Jene Obdachlose, die sich tagsüber am Praterstern aufhielten, wurden verdrängt. Sie sitzen und liegen nun auf Parkbänken in der Prater- und in der Heinestraße, in der Hauptallee und Afrikanergasse.

Die Stadt hat das Verbot verhängt, weil das Sicherheitsgefühl der Wiener erhöht werden sollte. Immerhin knapp 150.000 Menschen passieren täglich den Praterstern. Und keiner bahnt sich gern den Weg durch Betrunkene.

Dass sich Menschen, die kein Zuhause haben, auf Bahnhöfen aufhalten, ist aber kein Wiener Phänomen. Das ist in Salzburg so und in Graz, in Barcelona und in New York. Und das hat auch einen Grund: Für Menschen, die tagsüber nirgends hinkönnen, gibt es dort Infrastruktur: Ein Dach, unter das sie sich stellen können, wenn es regnet. Sanitäranlagen, die sie kostenlos benutzen können. Im Winter ist es warm. Wer bettelt, hat an einem viel frequentierten Bahnhof nun einmal mehr Chance auf Geld, als in einer kleinen Gasse. Und, ja, auch die Verfügbarkeit von Alkohol spielt eine Rolle. Der wichtigste Grund ist aber: Menschen, die obdachlos sind, halten sich im öffentlichen Raum auf, weil es für sie sicherer ist. Sie sind dort weniger der Gefahr ausgesetzt, angegriffen zu werden – von Fremden in der Nacht, von rivalisierenden Gruppen, die sich am gleichen Ort aufhalten. Schließlich kommt die Polizei oft vorbei.

Wie geht es jetzt also weiter? Kommt das Alkoholverbot in der Praterstraße? Und nur auf den Parkbänken oder überall? Und wenn die Menschen weiterziehen, weiten wir das Verbot dann noch mal aus?

Dass sich Obdachlose auf Bahnhöfen aufhalten, müssen wir in einer Großstadt aushalten. Gescheiterte Existenzen sind kein Grund, sich zu fürchten.

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