Ein Königreich für einen Ball
Mein Dottore Amore und unser Signorino Hündchen leiden: Beide sind Junkies auf Entzug. Da wir bald ein Baby bekommen, musste der geliebte Gatte aufhören zu rauchen und der Hund hat Ballverbot. Wenn man eine Sucht nicht kontrollieren kann, hilft halt nur der radikale Abschied. Tagtäglich sudern sie mich an.
Das Lamentieren meines Mannes versteh ich nicht. Er wird gesünder und länger leben, seinem Kind ein gutes Vorbild sein und spart sich dabei noch einen Batzen Geld. Dass der Hund ansatzdepressiv ist, kann ich weit besser nachvollziehen: So ein Ball ist schon etwas Feines. Wenn Hund dem fliegenden Rund hinterher hetzte, war ich fast ein bisschen neidisch, kein Vierbeiner zu sein. Stellen Sie sich das vor: Grüne saftige Grashalme kitzeln Ihren Bauch, der Wind lässt Ihre Ohren schlackern, der ganze Körper ist in Bewegung, die vom langen Liegen steifen Gelenke lockern sich, die Muskeln werden warm, das Objekt Ihrer Begierde ist erst noch fern, doch aus eigener Kraft nähern Sie sich, bis Sie es letztendlich in einem Moment des perfekten Glücks erreichen. Ich habe sogar versucht, meinen sehr übel gelaunten Neo-Nichtraucher zu einer Ballsportart zu überreden, damit wenigstens einer von uns Spaß hat, doch er findet Bälle unverständlicherweise uninteressant. Viel lieber spielt er abends zur Ablenkung mit mir Schnapsen.
Vor Jahren warnte mich eine Tante davor, mit dem eigenen Ehemann Karten zu spielen. Wenn nämlich die Ehe gut laufe, kenne man einander und durchschaue irgendwann die Strategien des anderen. „Nach vierzig Jahren kömma gar nimmer spielen“, so ihre eigene Erfahrung, „wir streiten nur mehr, wer wem was abg’schaut hat.“
Vor der Pandemie war er Stadtkind chancenlos gegen mich Landkind, mittlerweile hat er meine Strategien nicht nur durchschaut, er wendet sie sogar gegen mich an. Tja, wenigstens einer von uns hat Spaß.
Vea Kaiser, das Ausnahmetalent aus Niederösterreich, ist seit ihrem umjubelten Buch-Erstling „Blasmusikpop“ von 2012 („großer Literaturspaß!“, „schwindelerregendes Debüt“) unumstrittene Lichtgestalt der jungen heimischen Literatur. Sie schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.
Kommentare