V e r s a g e n !

Storys über 1450-Pannen und Laborfehler sind zur Zeit Bestseller. Das verzerrt den Blick.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Jeder ortet derzeit irgendwo „Versagen!“ (bei Behörden, Politik, Virologen, Laboren, Gott und der Welt, Möbelhäusern und der Mathematik). Aber keiner merkt, dass er damit nur noch einen Buchstaben vom Verzagen entfernt ist.

Mit Geschichten über das Versagen wird man im Moment berühmt. Einmal niedergeschrieben, wechseln sie tausendfach den Absender, werden auf sozialen Medien viral geteilt: „Bei 1450 hat drei Tage keiner abgehoben!“ Oder: "Das Testergebnis, auf das ich acht Wochen gewartet habe, war falsch." Das mag schon so gewesen sein. Es existieren aber noch viel mehr andere, unspektakuläre Geschichten. Doch die haben Replikationsfaktor null. Sie füttern nicht die Empörungshungrigen, schaffen keine Reibung, weil darin alles reibungslos abläuft. Wie zum Beispiel in der folgenden:

Frau X hat Symptome, ruft am Abend 1450 an, wird am Morgen getestet, erhält umgehend den Bescheid der Behörde sowie nach 40 Stunden ein positives Testergebnis, wird, obwohl Wochenende, von einer freundlichen Dame angerufen und nach Kontakten gefragt, meldet sich nach Ablauf der 10-Tages-Quarantäne online gesund. Ende der Geschichte.

Das wird kein Megaseller. Das will niemand lesen. Aber vielleicht hilft es gegen das kollektive Verzagen. Fehler passieren, keine Frage. Aber den täglichen Aufschrei „Versagen!“ kann man sich auch einmal versagen. Um nicht zu verzagen.

Kommentare