Und die Welt steht still

Unlängst, an einem ganz gewöhnlichen Samstagnachmittag
Barbara Beer

Barbara Beer

Wir standen dicht gedrängt. Ein Mann machte einen Witz. Es sei hier wie in Japan, wo es eigene U-Bahn-Drücker gibt, die die Passagiere zu Stoßzeiten in den Waggon schieben. So schlimm war es zwar nicht. Aber ziemlich kuschelig. Zuvor hatten wir lang auf dem Bahnsteig auf die U-Bahn gewartet. Doch wir hatten Zeit, niemand war ungut, niemand machte seinem Ärger Luft.

Auch nicht, als der Fahrer ankündigte, dass bei der nächsten Station alle aussteigen müssten, weiter vorne sei etwas passiert. Kein Wort von Fahrgasterkrankung oder einem ähnlichen Euphemismus für Schreckliches. Und dann wurde es finster. Der Strom war weg. Murmeln, aber kein Murren. Dauerte nicht lang. Wir fuhren weiter und wieder meldete sich der Fahrer: Niemand müsse aussteigen, der Zug würde wie geplant bis zur Endstation fahren. Erleichterung, sogar Klatschen und Bravo-Rufe.

Sie ahnen es: Es handelt sich bei dieser Erzählung nicht um einen Bericht aus der Wiener U-Bahn. Sondern um ein Erlebnis aus der Pariser Metro Nummer 6. Das ist die, die die im Westen der Stadt gelegene Station Charles de Gaulle-Étoile mit der Station Nation im Osten von Paris verbindet und gemeinsam mit der Linie 2 einen Ring um die Stadt bildet.

Mehr als 120 Jahre alt ist sie und technisch noch nicht so gut ausgestattet wie andere Pariser U-Bahnlinien. Möglicherweise mit ein Grund, warum passieren konnte, was passiert ist.

Sie haben es vielleicht mitbekommen. Auch österreichische Medien haben darüber berichtet. Eine 40-jährige Frau ist am Samstagnachmittag beim Aussteigen mit ihrem Mantel in der Tür hängen geblieben und von der abfahrenden Bahn mitgerissen worden. Sie ist noch am Unfallort gestorben. Ihr Mann und ihr Sohn haben alles mitangesehen. Ihre Welt steht jetzt still.

Eine Familie, unterwegs an einem Wochenende in Paris. Genau wie meine, die sich nur einen Zug dahinter befand. An einem ganz normalen Samstagnachmittag, an dem plötzlich das Licht ausging.