"ÜberLeben": Sprechverbot!

Meine Freundin darf nicht reden. Dafür kann sie umso besser zuhören.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

In meiner Wohnung ist es derzeit ungewohnt still. Meine Freundin hat Kehlkopfentzündung und Sprechverbot. Das wäre an sich DIE Gelegenheit für mich, endlich einmal zu Wort zu kommen. Aber ich habe festgestellt: Wenn mich niemand unterbricht, ist es langweilig, Vorträge zu halten.  Am Wort sind bei uns  nur der Eiskasten (er surrt), die Heizung (sie säuselt) und die Kaffeemaschine (sie knurrt). Musik hören wir kaum, sie kommt uns zu laut vor.

Meine Freundin kommuniziert per Schreibblock (was schwierig ist, weil ich ihre Schrift nicht lesen kann) und per Computer, mittlerweile erstreckt sich das Word-Dokument über Dutzende Seiten. Meinen Vorschlag, mir ihre Gedanken via WhatsApp mitzuteilen, fand sie absurd – wer schickt schon Nachrichten vom Wohnzimmer in die Küche?

Nach einigen Tagen sind wir immer mehr auf Pantomime umgestiegen: Meine Freundin versucht, mit Gesten, Grimassen und kleinen Tänzen auszudrücken, was sie denkt, und das führt häufig zu schönen Missverständnissen. Es hat zum Beispiel lange gedauert, bis ich verstanden habe, was es heißt, wenn sie zuerst auf mich zeigt und sich dann einen imaginären Ring vom Finger zieht: „Deine Exfrau“. Und die Geste für „mich drückt der Darm, ich muss aufs Klo“ möchte ich Ihnen aus Gründen des guten Benehmens jetzt nicht explizit schildern, sie ist von geringem sittlichen, aber von hohem Unterhaltungswert. Auch das Formulieren einer Einkaufsliste nur durch Gestik kann ziemlich witzig sein. Interessant ist, dass ich mittlerweile auch schon pantomimisch antworte, obwohl ich ja sprechen dürfte. Aber laut ausgesprochene Worte kommen mir jetzt fast obszön vor.

Wenn das alles vorbei ist, werden wir beim Activity-Spielen unschlagbar sein.

Meine Freundin hat jetzt übrigens geschrieben, dass sie in den vergangenen Tagen gelernt hat, besser zuzuhören: Weil sie keine Gedanken mehr daran verschwendet, passende Antworten zu formulieren.

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