"ÜberLeben": Die Welt riecht nach Gras und Regen
Es gibt keine Zeit im Jahr, die ich mehr liebe als Anfang Juli. Die Welt riecht nach geschnittenem Gras und Regentropfen auf heißem Asphalt, und endlich ist mir nicht mehr kühl. Und immer ist da die Erinnerung an die Schulzeit: Das Schuljahr war überstanden – ich habe die Schule gehasst, abgesehen vom Geschichtsunterricht, – und wie eine unendliche Zeitfläche bauten sich die Sommerferien vor mir auf: Ein unvergleichliches Gefühl von Freiheit.
Ich habe die Zeit meistens dazu genützt, nach Kräften nichts zu tun, also nichts Produktives. Ich habe ständig gelesen, meist Bücher von Thomas Bernhard und Hermann Hesse. Und ich bin ins Freibad gefahren. Dort traf ich dann meinen Freund C., wir hatten unsere Gitarren mit, schrieben Songs und träumten vom Weltruhm. Einen dieser Songs kann ich immer noch spielen, er ist nicht besonders gut, aber er fängt das Gefühl dieser Zeit gut ein – er handelt davon, im Bad zu sitzen und Gitarre zu spielen. Später haben wir dann tatsächlich eine Band gegründet, wir waren ziemlich schlecht, aber C. ist bei der Musik geblieben, er verdient heute seinen Lebensunterhalt als Profimusiker.
War C. nicht im Bad, hörte ich mit meinem Kassettenrekorder die Stones und die Doors und stellte mir vor, ich sei Keith Richards oder Jim Morrison.
Nach dem Bad gingen wir meistens zum Heurigen und unternahmen erste Experimente mit Unterhaltungschemikalien wie Erdbeerbowle, was wir rasch bereuten. Aber wir wohnten in einem Weinort, niemand fand dort etwas dabei, dass schon die Teenager beim Heurigen saßen und tranken.
Manchmal gab es am Abend ein Gewitter. Ich habe Gewitter immer geliebt, schon als Kind fand ich sie nicht furchteinflößend, sondern schön.
Dann lag ich in meinem Zimmer im Bett, hörte auf den prasselnden Regen und den Donner und wusste: Dieser Sommer würde niemals enden.
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