"ÜberLeben": Die gestreifte Laufhaube

Laufen: Der Weg zu mir selber.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Als ich ein Kind war, veranstalteten meine Freunde einen Laufwettbewerb, und ich nahm natürlich daran teil. Der Vater eines Freundes besaß eine Super-8-Kamera und filmte das Großereignis. Als wir uns eine Woche später den Film ansahen, war ich schockiert: Während meine Freunde schön zackig geradeaus liefen, taumelte ich herum wie ein betrunkener Bär. Ich war ... mir fällt kein anderes Wort ein: plump. Fortan verzichtete ich aufs Laufen und bewegte mich gehend fort, das erschien mir sicherer und weniger peinlich.

Das Ganze war mir umso unangenehmer, als mein Vater in seiner Jugend einer der besten Mittelstreckenläufer des Landes gewesen war.

Erst im Gymnasium fand ich wieder zum Laufen, ich kam nämlich drauf, dass ich eine gute Kondition hatte und dadurch vielen anderen beim Laufen überlegen war. Den betrunkenen Bären war ich inzwischen losgeworden, jetzt lief auch ich geradeaus, wie sich das gehörte. Bei einem Schulwettbewerb erreichte ich einen  Platz ganz vorne und war enorm stolz. Seitdem gehört Laufen zu meinem Leben.

Laufen ist die einfachste Sportart von allen. Man benötigt dazu nur einen Körper und ein Paar Schuhe, und schon kann es losgehen. Laufen ist nicht nur enorm gesund, es ist auch Meditation in Bewegung. Man kann sich selbst dabei beobachten, wie die Gedanken immer langsamer werden und sich irgendwann das wohlige Gefühl völliger Ruhe einstellt. In diesem Zustand habe ich die besten Ideen – und manchmal habe ich auch gar nichts, was auch nicht wirklich schlecht ist.

Zuletzt habe ich das Laufen vernachlässigt, mir taten die Knie weh, aber das war eher eine Ausrede. Ich war zu träge, zu faul zum Laufen geworden. Aber damit ist jetzt Schluss: Ich habe im Kasten meine überaus kleidsame, gestreifte Laufhaube gefunden, und jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Diese Kolumne ist fertig, und jetzt gehe ich laufen.

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