Lippen spitzen, lächeln, Bauwerk verdecken

Axel Hablhuber über Selfies, Sehenswürdigkeiten und die Frage nach dem perfekten Urlaubsfoto
Axel Halbhuber

Axel Halbhuber

Nachfolgende Generationen werden in der Bewertung unserer Zeit an der Frage zerbrechen, warum wir irgendwann begonnen haben, uns auf Urlaubsfotos vor die abzulichtenden Sehenswürdigkeiten zu stellen. Warum wir zwar zu denen extra hingeflogen sind, sie aber dann schlussendlich mit uns selbst verstellt haben. An dieser Stelle ist es natürlich zu billig, nur das Selfie zu bemäkeln. Tatsächlich haben wir uns schon vor der Zeit des Handyselbstfotos zwischen Fotoapparat und das bereiste Objekt gestellt – danke, danke, Selbstauslöser. Gelegentlich bat man sogar fotoversiert dreinschauende Mittouristen, hier – „ja, genau hier, nur kurz, es ist alles eingestellt“ – draufzudrücken. Und schlimmstenfalls waren halt auf den Denkmal-und-wir-Fotos nur „die Mama und der Burli“ drauf, Vater nicht, weil Vater der Familienfotograf, man muss halt Opfer bringen.

All diesen „Stell’ dich doch da mal schön hin und schau in die Kamera“-Momenten von damals muss man zugutehalten, dass auf dem fertig entwickelten Foto die Relation zwischen Sehenswürdigkeit und uns davor eine gesunde Balance hielt. Da war eine Pyramide oder ein Turm und klein davor wir. Das ist beim Selfie nicht mehr so.

Aufgrund der durchschnittlichen Human-Armlänge ergibt sich in den meisten Fällen ein wahnsinnig großes Touristengesicht, an dessen Rändern mit viel Glück ein Fassadenfuzerl oder ein Denkmalhut oder eine Idee von Naturszene zu erahnen ist. Der kurzzeitig boomende Selfie-Stick machte es besser, aber mir kommt vor, der ist langsam wieder in der Versenkung verschwunden, also wenn Sie bis jetzt keinen gekauft haben, lassen Sie es, der ist scheinbar wieder out! Das Ergebnis von Selfies ist daher meist eher nicht zufriedenstellend („na geh, wie schau’ ich denn da aus?!“) oder gar ernüchternd („jössas, meine Haut“), in jedem Fall aber verwechselbar. Denn wenn man seinen Kopf vor das Motiv schiebt, sieht Paris mitunter wie die Serengeti aus, Eiffelturm hin, Zebra her.

Aber vielleicht werden ja durch das ewige Handy-möglichst-weit-weg-Halten langsam unsere Arme länger. Da werden die späteren Generationen dann aber schön schauen.

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