Der stille Protest skifahrender Kinder

Kolumnist Axel Halbhuber darüber, was man vom Sessellift aus alles beobachten kann. Zum Beispiel Skischulgruppen
Axel Halbhuber

Axel Halbhuber

Als ich in den Semesterferien auf dem Sessellift saß, dachte ich intensiv über das absurde Schauspiel unter mir nach. Man hat ja fast nirgends mehr so viel freie Zeit wie auf dem Sessellift. In jedem nicht verplanten Moment, von den Warteminuten auf die Straßenbahn bis zu Toilettenbesuchen, zücken wir heutzutage das Mobiltelefon: Blick in die Mails, Kontrolle der Social-Media-Posts, kurzer Check der Nachrichtenlage (übrigens: KURIER.AT sieht jetzt anders aus, man kann sagen: phänomenal), und eine Runde Backgammon oder Candycrush. Zum Nachdenken kommt man nicht mehr, die Minuten des Müßiggangs haben Digitalisierung und Effizienz gefressen.

Aber am Sessellift ist es oft zu kalt für nackige Finger und man fürchtet einen Handy-Absturz (man sorgt sich ja um kaum was so viel wie um das Handy). Also kommt man endlich wieder einmal zum Schauen und Denken. Ich blickte auf eine Skischulgruppe, wie sie sich unter mir raupenartig die Piste entlang mäanderte, vor jedem Bogerl schoppte sie sich zusammen, um gleich nach dem Schwung wieder in die Länge gezogen zu werden. Und weil die Skijacken und -hosen (es ist übrigens ewig schade um die Overalls der 1980er-Jahre) heute meist in gediegenen Farbtönen daherkommen (es ist übrigens ewig schade um die Neonfarben der 1980er-Jahre), sehen sie dabei tatsächlich aus wie kriechende Raupen. Ein schönes Bild.

Nur der Raupenkopf in roter (oder blauer) Skischuluniform. Und perfekter Körperhaltung, leicht gewinkelte Knie, gerader Rücken, Arme leicht seitlich, wundervoll. Dahinter spielen sich zumeist schauderhafte Szenen ab, zwar haben die Raupenglieder auch alles Mögliche abgewinkelt und Anderes gerade, aber ihre Bewegungen decken sich kaum mit der des Raupenkopfs. Auch wählen sie bislang vollkommen andere Streckenführungen, aber ich begrüße ja jede Form von Kreativität. Über dieser Diskrepanz von perfekter Haltung (vorne) zu Tumult (Rest) dachte ich über die Doppeldeutigkeit des Wortes „vorfahren“ nach, Skilehrerin/Skilehrer wie beim Probe-Vorfahren für eine Jury, gleichzeitig der Skigruppe eine Linien vorfahren, die sie bestenfalls nur nicht wahrnimmt. Vielleicht aber sogar still dagegen protestiert.

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