Über den Tellerrand: Das echte Waldviertel lag mitten in Wien
Und so reiste ich diese Woche über den Wiener Rathausplatz und stand dabei mitten im Waldviertel. Das hat sich zum bereits 18. Mal zusammengepackt, um in Wien seine Waldviertelhaftigkeit zu entfalten, und tatsächlich war es zwischen Burgtheater und Rathaus so wuselig, dass ich das Gefühl hatte, es sind wirklich alle da. Das Waldviertel musste an diesen drei Tagen vollkommen leer sein.
Die Veranstalter hatten keine Mühen gescheut und schafften es mühelos, nicht nur das Waldviertelgefühl zu präsentieren, sondern insgesamt sehr österreichisch zu wirken. Dazu gehörte auch Moderator Andy Marek, the voice des Nationalteams oder wie man im Waldviertel sagen würde: die Stimme. Er begrüßte bei der Eröffnung mehr Vizebürgermeister, Ortsgruppenleiter und Brauereigründer, als im Waldviertel wirklich Platz haben können, und natürlich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner – die allen Frauen rundherum gekonnt attestierte, wie fesch sie im Dirndl aussehen würden. Ebenso begrüßte Marek den Zweiten Landtagspräsidenten, in dessen Familienname passender Weise auch „Wald“ vorkommt. Und dann geschah Überraschendes: Marek genderte in der Begrüßung („auch die vielen Vertreterinnen und Vertreter), bekam aber weder von der Landeshauptfrau noch vom Zweiten Landtagspräsidenten einen Strafzettel dafür. Herr Waldhäusl schaute aber dabei not amused, oder wie man im Waldviertel sagt: nicht glücklich.
Beim Flanieren nach dieser schillernden Eröffnung mit Bieranstich versuchte ich, das „Waldviertel pur“ (wie die Veranstaltung hieß) zu inhalieren. Heutzutage will man alles pur, für das Wässrige haben wir schon lange keinen Sinn mehr, schon gar nicht auf Reisen. Wir wollen Pizza pur in Neapel und Baguette pur in Paris und in Australien in einem Kängurubeutel übernachten.
Im Waldviertel, oder wie man in der Welt sagt: Woodquarter, erkennt man das Pure an Speisen mit hohem Mohnanteil, an Möbeln und Gebrauchsgegenständen mit hohem Holzanteil und vielem vielem anderen. Es ist verblüffend, was das Waldviertel alles bietet, und dass es sich trotzdem namentlich nur auf den Wald bezieht.
Der war übrigens als einziger nicht da. Immerhin war die Bühne von vier Thujen umrahmt.
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