Stadtgeflüster: Pionierin

Sigrid Maurer kämpft etwas durch, wovon viele Frauen in diesem Land profitieren können.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Im August vor drei Jahren erreichte mich der Brief eines Lesers zu meiner Kolumne über den Thayatalradweg im nördlichen Waldviertel. In dem Brief kommentierte der Leser meine „Visage“, stellte infrage, dass ich „je ein nennenswertes Alter“ erreichen würde und gab mir den Rat, den neuen Radweg „möglichst rasch durchzuradeln und nicht an romantischen Pflöcken zu verharren“ – denn dann könnte es sein, dass ein „rohe Bursch“ (sic!) aus dem Wald hervorspringt und mich „gründlich abfotzt“. Im Übrigen würden „boshafte Weiber“ wie ich „besonders oft einen Brustkrebs“ kriegen. Der Verfasser zeichnete seinen Text mit vollem Namen und versah ihn sogar mit seiner Adresse. Ich habe oft darüber nachgedacht, was diesen Mann wohl dazu veranlasst hat, diese Zeilen zu schreiben. Der Text über den Radweg kann es wohl nicht gewesen sein.

Damals hat mich der Brief erschüttert, im Vergleich zu den Nachrichten, die die ehemalige grüne Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer erreichen, kommt er rückblickend aber recht lasch daher. Nachdem Maurer an einem Craft-Bier-Geschäft in der Wiener Strozzigasse vorbeigegangen ist, erhielt sie grindige, ordinäre, erbärmliche Nachrichten. Seit Maurer den Prozess in erster Instanz verloren hat, erhält sie zusätzlich Nachrichten mit der Bitte, sie möge sich doch „weghängen“. Nachsatz: „Danke“ – Smiley inklusive. Lustig, dass manche nach dem ersten Prozesstag noch argumentierten, man könne doch so eine Nachricht nicht einfach so veröffentlichen – da werde ja der arme Absender geoutet! Was, wenn der das gar nicht so gemeint hat?

Dass es auch andere tatsächlich genauso meinen, zeigen die Nachrichten, die Maurer seit dem erstinstanzlichen Urteil erhält. Wie niederträchtig muss man sein, jemandem zu bitten, sich aufzuhängen? Dass Maurer diesen Fall nötigenfalls bis nach Straßburg durchkämpfen will und in Kauf nimmt, noch mehr Nachrichten dieser Art zu erhalten, dafür gebührt ihr nicht nur Respekt, sondern volle Solidarität. Sie kämpft etwas durch, wovon viele Frauen in diesem Land profitieren können.

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