Stadtgeflüster-Kolumne: Kühles Versprechen

Stadtgeflüster-Kolumne: Kühles Versprechen
Frisch eingelassene Schwimmbecken in Freibädern sind nicht kalt. Sie sind eisig.
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Samstag, zehn Uhr Vormittag. Ich brause mit meiner Vespa den Schafberg hinauf. Der kühle Vormittagswind verursacht Gänsehaut am ganzen Körper und ich verfluche mich für mein Versprechen an mich selbst, nach diesem langen Winter am ersten Tag so früh wie möglich im Freibad zu sein.

Als ich auf den Eingangsbereich zugehe, kehrt eine Mitarbeiterin Nadeln vom Weg. Zum ersten Mal steht an der Kasse niemand vor mir und die Kassiererin drückt mir den Schlüssel für das Kästchen mit der Nummer 2 in die Hand. Es ist kaum etwas los, aber es ist eigentlich auch noch ziemlich frisch. Ganz vereinzelt quietschen kleine Kinder, ein paar Saisongäste spielen auf Plastiktischen Karten.

Die Leere und Stille gibt dem Schwimmbad etwas Surreales. Die Bademeister wirken auf den Sesseln neben den menschenleeren Becken wie Filmstatisten. Aber sie nicken mir alle freundlich zu, überhaupt wirkt an diesem Tag alles familiär. Vielleicht ist es meine eigene gute Stimmung.

Motiviert gehe ich zu den Stufen, die in das 50-Meter-Becken führen, denke mir nicht viel und – wwhhaaa – schnappe nach Atem. Das ist nicht kalt. Das ist eisig. Der Bademeister grinst. Wie kalt das Wasser sei? 16 Grad. Ahaaa. Sehr langsam nehme ich Stufe um Stufe ins Eismeer.

Der Nachteil an wenigen Besuchern ist ja, dass zögerliches Verhalten mehr auffällt.

Ein Vater kommt mit seinem kleinem Sohn zum Becken. Als das Kind mit einem Fuß ins Wasser steigt, quietscht es laut. „Wenn es so kalt ist, muss man ganz schnell rein“, sagt der Vater „Warum?“. – „Weil man es sich sonst anders überlegt.“ Weil sie nicht rasch reingegangen sind, gehen sie wieder. Ich spiele mit dem Gedanken, ins beheizte Kinderbecken zu gehen.

Aber mein Blick fällt wieder auf die Dame, geschätzt 70, die stetig ihre Längen schwimmt.

Also reiße ich mich zusammen. Und nachdem der erste Kälteschock überwunden ist, ist es gar nicht schlimm. So ungestört zu schwimmen, ist ehrlich gesagt sogar richtig herrlich. Hallo zurück, liebstes Freibad.

annamaria.bauer@AnnnaMariaBauer

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