Machen Sie sich glücklich: Bringen Sie jemanden zum Lächeln
Frau Freund und ich haben ein neues gemeinsames Hobby: Jeden Tag jemanden zum Lächeln zu bringen. Das ist in Wien eine geradezu sportliche Herausforderung, besonders in der Vorweihnachtszeit. Das Ganze hat freilich nichts mit Sport zu tun. Lassen Sie mich, jetzt im Advent, bitte ein bisschen kitschig werden: Es geht darum, sein Herz zu öffnen und andere Menschen als Menschen wahrzunehmen.
Das ist im Prinzip keine schwierige Übung. Dennoch gehen wir meistens schlafwandelnd durchs Leben, sind schnell einmal gestört oder grantig, und leider ist dieser Zustand ansteckend. Es geht aber auch anders. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen.
"Wollen Sie vorgehen?"
Ich stehe im Supermarkt an der Kassa, hinter mir ist jemand mit zwei Produkten, ich habe mindestens zehn. „Wollen Sie vorgehen?“, frage ich und lächle. Vollkommene Fassungslosigkeit beim Gegenüber, aber er nimmt das Angebot gerne an, bedankt sich überschwänglich.
„Kein Problem“, sage ich, „ich habe keinen Stress.“ Neuerliche Fassungslosigkeit. Ja, das ist ein richtiger Zauberspruch. Sagen Sie das einfach mal laut in der Öffentlichkeit: „Ich habe keinen Stress.“
Die heilende Wirkung für die Menschen in ihre Umgebung wird sofort spürbar. Und natürlich jene für Sie selbst. Denn man kann es eilig haben, wenn man in der Warteschlange steht. Stress hat man, wenn man ihn sich macht.
Mit dem Herzen lächeln
Beim Bäcker erwischte ich das letzte Roggenvollkornbrot. „O nein“, jammerte die Kundin neben mir. „Wollen wir teilen?“, fragte ich. Sie strahlte, und die Bäckerin auch, während sie das Brot zerschnitt.
Loben Sie die Blumenverkäuferin, wie schön der Strauß geworden ist. Verlieren Sie ein gutes Wort über das liebevoll gemachte Weckerl in der Feinkostabteilung. Bedauern Sie die Kellnerin, die ganz allein so viele Tische bedient und bewundern Sie, wie sie das schafft. Lassen Sie im Stau die Autos aus den Nachrangstraßen heraus. (In Wien sind ja bereits zahlreiche Autofahrer in Seitengassen verhungert – verhindern Sie das!) Begrüßen Sie den Paketzusteller, fragen Sie ihn, ob er noch eine große Tour hat und bedanken Sie sich für seine Arbeit.
Es ist so leicht, andere Menschen als Menschen wahrzunehmen und allein dadurch glücklich zu machen. Positiver Nebeneffekt: Man macht sich selbst auch glücklicher.
Frau Freund hat mittlerweile eine ziemliche Perfektion darin entwickelt, mit lächelndem Herzen durch die Öffentlichkeit zu wandern. Letztens im Einkaufszentrum, wo es wirklich schwer ist, gute Stimmung zu verbreiten, kam uns ein graumelierter, eleganter Mann entgegen, im hektischen Stechschritt, Weihnachtsgeschenkepanik stand in seinem Gesicht. Frau Freund suchte Blickkontakt. Er wurde langsamer. Seine Züge hellten sich auf, er lächelte, er strahlte, ging an ihr vorbei, beide drehten sich um und waren knapp an der nonverbalen Liebeserklärung. „Geht’s noch?“, motzte ich Frau Freund an. Aber mein Herz – lächelte dazu.
René Freund lebt als Schriftsteller im südlichen Oberösterreich. Alle Infos unter www.renefreund.com.
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