Sommer wie damals

"Stadtgeflüster": Nie sonst im Leben hat man dieses unschlagbare Gefühl, dass gerade die beste Zeit vor einem liegt: zwei Monate – und nix Großartiges zu tun.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Ich saß gerade im Salettl des Parks gegenüber, als plötzlich nach und nach Kinder mit ihren Eltern eintrudelten. Im schönsten Zwirn, die Zeugnisse in Klarsichtfolien und mit diesem Ausdruck im Gesicht, den man nur am Zeugnistag hat.

Die Eltern: Wieder ein Jahr geschafft.

Die Kinder: Juhu, Eis am Vormittag!

Und da ist es mir wieder eingefallen: Der tollste Tag im Jahr war nicht Weihnachten (das ich sehr liebte). Auch nicht der eigene Geburtstag (den ich fast noch mehr liebte). Das war immer der Zeugnistag.

Nie sonst kann man als Kind die Anstrengungen der vergangenen Monate einfach hinter sich lassen (wenn man nicht zum Nachzipf antreten muss). Und nie sonst im Leben hat man dieses unschlagbare Gefühl, dass gerade die beste Zeit vor einem liegt: zwei Monate – und nix Großartiges zu tun.

In den Ferien gingen wir jeden Tag ins Freibad. Einer Leistungsbeurteilung unterzogen wir uns maximal selbst: Wer kann wie viele Breiten im Freibad tauchen? Wie lange dauert es, bis wir einen Flickflack ins Wasser springen können – ohne Angst, unsere Schädel dabei zu zertrümmern? Wir spielten „Ringerl“ um den Tischtennistisch, und verkürzten die endlosen Freibadtage manchmal mit einer Runde Beachvolleyball. Wir aßen Eis und Pommes.

Als das „Jahrhundert-Hochwasser“ im Jahr 2002 unser Freibad zerstörte, zogen wir um in das andere Bad in unserer Stadt. Von da an blieben wir dort. In diesem Bad gab es null Infrastruktur, deswegen hat sich immer jemand auf sein Rad geschwungen und Eis gekauft – für alle im Bad.

Wenn wir heute, 15, 16, 17 Jahre später so einen ähnlichen Tag verbringen wollen, müssen wir ein halbes Jahr im Voraus planen, 70 Doodle-Listen erstellen und dann hat erst wieder jemand keine Zeit.

Hoffentlich liegt vor allen Schülerinnen und Schülern, die am Freitag ihre Zeugnisse in Klarsichtfolien stecken und ein Eis essen werden, ein Sommer, an den sie sich als Erwachsene sehnsüchtig zurückerinnern.

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