Dennoch zulässig: Gefangen im System

"ÜberLeben": Wie ausgerechnet ich ins Schulbuch kam.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Eine nette Kollegin hat mir ein Foto gemailt: Offenbar steht ein Text von mir im Deutsch-Lehrbuch für die fünften Klassen. Und zwar unter dem Titel „Sprachwissen, Sprachnormen, Schreibnormen“. Das ist nicht unwitzig, denn ich habe keine Ahnung von Sprachnormen. Ich verwende Sprache rein instinktiv, und obwohl meine Eltern Deutschlehrer waren, kenne ich die Regeln von Sprache nicht. Ich kann Sprache nicht benennen. Sprache ist zwar mein Arbeitsgerät, aber ich weiß nicht, was ich tue, wenn ich Sprache benütze. Ich tue einfach, ohne darüber nachzudenken.

Ich könnte auch die Aufgaben, die den armen Schülern auf „meiner“ Seite im Schulbuch gestellt werden, nicht lösen. „Beweisen Sie, dass ,dennoch’ ein Adverb ist“? Wie soll ich das beweisen? Ich weiß ja nicht einmal genau, was ein Adverb ist (so etwas ähnliches wie ein Adjektiv, nur ganz anders). „Welcher Wortart gehört ,zulässig’ an“? Woher soll ich das wissen? Ein Wort halt.

Dass ich in einem Schulbuch gelandet bin, ist ein Gag für sich. Denn ich war ein ausgesprochen aufsässiger, widerwilliger, vermutlich sehr mühsamer Schüler. Ich betrachtete die Schule als Lebenszeitdiebstahl und als Mordversuch an meiner Fantasie. Die  Schule zwang mich dazu, mich die ganze Zeit mit Dingen zu befassen, die ich weder begriff, noch interessant fand, für all das, was mich interessiert hätte, blieb keine Zeit. Meine zwölf Schuljahre bestanden nahezu zur Gänze darin, in Mathematik irgendwie am Leben zu bleiben (trotz Dauernachhilfe wurde ich aber nie besser). Und das, was mir meine Eltern aus ihrem Berufsalltag so erzählten, war nicht dazu angetan, mein Vertrauen in das System Schule auch nur im Geringsten zu steigern.

Der Text in dem Schulbuch stammt übrigens aus dem Jahr 2010, ich kann mich nicht erinnern, ihn geschrieben zu haben, aber er liest sich nicht schlecht. Ich argumentiere darin, dass Freundlichkeit und Höflichkeit gesund sind, und ja, ich glaube immer noch, das stimmt.

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