Schmerz, lass nach
Die Sicherheitsvorkehrungen werden immer umfangreicher, die Zahl der Opfer wird im Rennsport (konträr zum Touristenskilauf) nicht kleiner. Diese Feststellung ist nicht neu, spätestens seit dem Damen-Training in Pozza die Fassa aber wieder brutal aktuell. Seit nach Stephanie Brunner auch Anna Veith den italienischen Skiort deprimiert verlassen hat.
Veith, 29, fällt für die WM in Åre aus, ohne in Pozza di Fassa gestürzt zu sein. Ihr rechtes Knie streikt folgenschwer. Das mehrfach operierte Kniegelenk hatte der Olympiasiegerin schon einmal eine lange Zwangspause beschert. Veith wurde in der Tiroler Klinik Hochrum operiert, wo einander Skipatienten die Türschnalle in die Hand geben.
Vor Veith und Brunner waren mit Katharina Gallhuber und der Vorarlberger Abfahrerin Christine Scheyer weitere WM-Hoffnungen des ÖSV verletzt auf der Strecke geblieben.
Die Liste von Weltcup-Startern, für die die Saison bereits zur Halbzeit zu Ende ist, umfasst nicht weniger als 32 Damen und Herren. Und das, obwohl die längste Abfahrt (Lauberhorn) und die schwierigste (Kitzbühel) sowie die heiklen Damen-Speedrennen (Cortina d’Ampezzo, Garmisch-Partenkirchen) erst bevorstehen.
Ob bei Veith, ob bei österreichischen Slalom-Damen oder ausländischen Abfahrern wie dem deutschen Streif-Vorjahrssieger Thomas Dreßen – mehrheitlich rissen die Kreuzbänder. Eine Diagnose, die zu Franz Klammers und Hans Krankls aktiven Zeiten in Skirennlauf wie beim Fußball meist das Karriereende bedeutet hatte.
Die acht verletzten ÖSV-Damen im WM-Winter 2018/19:
Mittlerweile ist die Chirurgie dermaßen fortgestritten, dass sich Rennläufer auch nach mehreren Kreuzbandrissen noch zurück auf die Rennpisten wagen. Weshalb der alpine Weltcup immer mehr einem Rekonvaleszententreff von Knieoperierten gleicht.
Ein Mann widersetzt sich topfit diesem Trend. Marcel Hirscher, 29. Der Adelboden-Triumphator erlitt bisher „nur“ Verletzungen, die auf ein Loch in der Piste (2011 Hinterstoder) oder einen Einfädler (2017 Knöchelbruch beim Gletschertraining), nie jedoch auf Überbelastung zurückzuführen waren.
Obwohl Hirscher laut Hirscher auf dem Weg zu seinen sieben Weltcup-Gesamtsiegen nicht weniger als 118.576 Höhenmeter zurücklegte, verfügt er über gesunde Knie. Vielleicht ist es kein Zufall, dass dies als einer der wenigen Renn-Oldies auch der 50 Jahre ältere (mit 1,73 Meter gleich kleine) Karl Schranz von sich behaupten kann. Und vermutlich ist es erst recht kein Zufall, dass sich unter den Weltcupopfern immer mehr weibliche befinden. Weil deren Bänder und Sehnen für ein bald ganzjähriges Skifahren auf eisigen Pisten nicht geschaffen worden sind.
Über Anna Veiths Karriereende zu spekulieren, ist verfrüht. Fest steht, dass sie schon vor ihren Verletzungen von Olympiagold bis Gesamtweltcup extrem viel erreicht hat. Im Gegensatz zu Renn-Teenagern, die nach Unfällen abseits der öffentlichen Wahrnehmung vor dem Nichts stehen.wolfgang.winheim
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