Schäm dich frei!

Klaus Eckel
Kabarettist Klaus Eckel über die Renaissance des Schämens. Heute Shaming genannt.

Vor vielen Jahre wollte ich einmal in der Büroküche einer Spedition bei den Arbeitskollegen Eindruck schinden und spottete über den neuen, überschaubar beliebten Chef. „Der ist doch ein Intelligenzallergiker, ein Teilzeitdenker, glaubt’s ihr der kann sich eine Banane selber schälen?“

Am Ende meines Monologs bemerkte ich, dass der von mir besprochene Chef genau hinter mir stand. Er drückte mir seine Banane in die Hand und sagte: „Könnten Sie das für mich machen?“ In diesem Moment verlies mein Geist kurz den geröteten, schwitzenden Körper und genierte sich für Rest.

Seit dem ist für mich bewiesen, dass der Mensch sich für sich selber Fremdschämen kann. Castingshows, Dschungel-Camps und Bankmanager-Gehälter – eine Zeit lang hatte ich den Eindruck das Schamgefühl wäre ausgestorben.

Doch es erlebt gerade eine Renaissance. Neben Flugscham, Plastikscham und Fleischscham, machen sich neue Formen breit wie Sleep-Shaming, weil der Mensch während der Nachtruhe nicht produktiv ist.

Ich versuche, deswegen jetzt immer schneller zu schlafen, in dem ich einfach den einen oder anderen Traum überspringe.

Austropop-Shaming entsteht, wenn ich den ganzen Tag kein Lied aus Österreich höre.

Stau-Shaming wenn es auf der Südosttangente bei meiner Autospur schneller vorangeht, als bei der daneben.

Als mir im Kreißsaal die Hebamme meine Kinder zeigte, empfand ich überhaupt keine Freude, sondern nur Baby-Shaming. Mir wurde sofort bewusst, dass ich mit den beiden Schreihälsen das Klima weiter anheize.

Falls Sie sich in Anbetracht der vielen Schammöglichkeiten trotzdem nicht schämen, dann sollten Sie sich schämen, dass Sie sich nicht schämen.

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