- Kann ein Hochwasser als Ereignis höherer Gewalt gelten?
Von höherer Gewalt spricht man grundsätzlich, wenn ein außergewöhnliches (unvorhersehbares) Ereignis von außen einwirkt, das nicht gehäuft und regelmäßig auftritt, und selbst durch äußerst zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Schwere Naturkatastrophen werden in der Lehre als Beispiel genannt und die Rechtsprechung hat bereits in einem anderen Kontext das Vorliegen höherer Gewalt bei Auftreten eines „200-jährlichen“ Hochwassers in Aussicht gestellt.
Auch wenn das Hochwasser im September dramatische Szenen lieferte und wohl gute Argumente bestehen, dieses als höhere Gewalt einzuordnen, hängt eine rechtliche Beurteilung immer von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb leider keine allgemeingültige Aussage getroffen werden kann, wie ein Gericht in Ihrer konkreten Situation entscheiden würde.
- Kann ich mit meinem Vertragspartner vereinbaren, wann höhere Gewalt vorliegt?
Gerade die Corona-Pandemie hat in den letzten Jahren gezeigt, dass oft Unsicherheit besteht, welche Situationen nun höhere Gewalt darstellen und ab welchem Zeitpunkt solche Ereignisse nicht mehr als außergewöhnlich und unvorhergesehen gelten sollen. Um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, ziehen es manche Vertragspartner daher vor, vertraglich bereits im Vorhinein zu konkretisieren, welche Ereignisse bzw. welches Ausmaß sie als höhere Gewalt einordnen und welche konkreten Rechtsfolgen sie daran anknüpfen möchten. Oft sind an solche Ereignisse auch gewisse Informationsverpflichtungen der Vertragspartner sowie vorab vereinbarte Nachfristen vorgesehen.
- Welche Auswirkungen hat der Verzug auf das Vertragsverhältnis?
Sollten Sie keine spezifische Vereinbarung mit Ihrem Vertragspartner getroffen haben, kommen die Regelungen des österreichischen Rechts zur Anwendung: Liefert ein Vertragspartner nicht zum vereinbarten Zeitpunkt, spricht man von Verzug. Der andere Vertragspartner hat dann ein Wahlrecht, am Vertrag festzuhalten und weiterhin Erfüllung zu begehren oder vom Vertrag zurückzutreten. Hält der Vertragspartner am Vertrag fest, muss der Schuldner während einer Nachfrist liefern. Dem Vertragspartner steht es aber ebenso frei, vom Vertrag zurückzutreten und das Vertragsverhältnis aufzulösen.
Sollten Sie als Warenlieferant die verspätet erfolgte Lieferung verschuldet haben, müssten Sie dem anderen Vertragspartner überdies grundsätzlich Schadenersatz leisten. Sofern das vergangene Hochwasser als höhere Gewalt einzustufen ist, ursächlich für Ihren Verzug war und Sie auch bei Anwendung äußerst zumutbarer Sorgfalt den Verzug nicht hätten verhindern können, würde dies dafür sprechen, dass Sie nicht für den Verzug einstehen müssen.
Mag. Patricia Backhausen, MSc ist Rechtsanwältin bei DORDA.
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