Liebe Frau S., enges Zusammenleben erfordert gegenseitige Rücksichtnahme. Das sieht auch das Nachbarschaftsrecht in § 364 ABGB vor. Bei Ausübung der Wohnrechte sind also stets die Interessen der umliegenden Bewohner miteinzubeziehen und Störungen zu vermeiden. Lärm zählt hier nach § 364 Abs 2 ABGB zu den sogenannten Immissionen. Solche können untersagt werden, wenn sie das für den Wohnort gewöhnliche Maß überschreiten und die Benutzung Ihres Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Es liegt somit jedes Mal eine Einzelfallbeurteilung vor. Besonders die Ortsüblichkeit ist oft schwer einzuschätzen, da es um die tatsächlichen Gegebenheiten in der unmittelbaren Umgebung geht. Zieht man etwa neben einem Fußballstadion ein, ist der Begleitlärm eines dort veranstalteten Spiels in der Umgebung ortsüblich. Damit der Lärm als wesentlich beeinträchtigend eingestuft wird, ist außerdem die Wahrnehmung einer Durchschnittsperson heranzuziehen.
Der Lärm, der üblicherweise von einer Viewing-Party ausgeht, insbesondere die laute Übertragung, Rufe und Gesang, kann auch in der Stadt nicht als ortsüblich kategorisiert werden. Je nach Ausmaß dieser Feste wird wohl auch jedenfalls eine Störung der Nutzung Ihrer Liegenschaft vorliegen. Auch die besonderen Umstände der EM ändern daran nichts. Ebenso wird die Ortsüblichkeit nicht dadurch „geschaffen“, dass tägliche Viewing-Partys stattfinden. Der OGH hat hierzu bereits entschieden, dass wiederholte Störungen der Nachtruhe von Hausbewohnern in der Regel nicht zu deren Ortsüblichkeit führen. Zwar kann ein vorübergehendes Event sowieso keine Ortsüblichkeit schaffen, doch auch wenn Ihre Nachbarn ganzjährlich Live-Übertragungen am Balkon veranstalten, wird die Ortsüblichkeit dadurch wohl nicht hergestellt.
Hinzu kommt, dass es keine (wie so oft angenommene) bundesweite Ruhezeit von 22.00 bis 6.00 Uhr gibt. Es kann somit auch Lärm vor und nach dieser Zeit als störend eingestuft werden und auch zwischen 22.00 und 6.00 Uhr muss eine Überschreitung der Ortsüblichkeit und die wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung vorliegen. Es ist also immer eine individuelle Prüfung vorzunehmen. Das ändert jedoch nichts daran, dass zu den üblichen Ruhezeiten ein strengerer Maßstab anzusetzen ist, da die Nutzung des Wohnraumes hier üblicherweise aus Ruhe und Schlaf besteht und Lärm auch vom Durchschnittsmenschen somit schneller als störend empfunden wird. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass in Mietverträgen, Hausordnungen oder örtlichen Verordnungen Ruhezeiten festgelegt werden. In Wiener Gemeindebauten gilt etwa tatsächlich Nachtruhe zwischen 22.00 und 6.00 Uhr.
Wie bei jeder Nachbarschaftsstreitigkeit ist es vorrangig zu empfehlen, den gemeinsamen Dialog zu suchen und so zu einer Lösung zu finden.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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