Lieber Herr L.,
das leitende Prinzip in allen Angelegenheiten bezüglich Ihres Kindes ist das Kindeswohl, das in § 138 ABGB zu finden ist. Insbesondere in Fragen der Obsorge und der Kontaktrechte geht es also in erster Linie darum, die beste Lösung für Ihre Tochter zu finden.
Zunächst muss zwischen Obsorge und Kontaktrecht unterschieden werden. Obsorge umschreibt die elterlichen Rechte und Pflichten, insbesondere also die Pflege und Erziehung, die Vertretung und die Vermögensverwaltung. Bei einer einvernehmlichen Scheidung ist verpflichtend auch eine Vereinbarung über die Obsorge zu treffen, bei einer strittigen Scheidung wird dazu, wenn keine Vereinbarung zustande kommt, ein eigenes Verfahren durchgeführt. Die von Ihnen bei der Scheidung vereinbarte gemeinsame Obsorge könnte auch bei einem Umzug Ihrer Ex-Frau aufrecht bleiben. Als Domizilelternteil müsste aber jener Elternteil bestimmt werden, der die Hauptbetreuung Ihrer Tochter übernimmt.
Falls die Betreuung nun dahingehend geändert wird, dass Ihre Tochter den Großteil der Zeit bei Ihnen verbringt, so ist es auch erforderlich, Sie als Domizilelternteil festzulegen. Auch bei gemeinsamer Obsorge muss nämlich immer jener Elternteil als Domizilelternteil festgelegt werden, der das Kind hauptsächlich betreut. Dieser Elternteil muss das Kind zumindest im gleichen Ausmaß wie der andere betreuen.
Da Ihre Tochter nun überwiegend bei Ihnen leben würde, müsste daher in diesem Punkt auch die Obsorge neu geregelt werden. Die Obsorge kann bei maßgeblicher Änderung der Umstände angepasst werden, was bei einem derartigen Umzug der Fall ist.
Im Kontaktrecht wird hingegen geregelt, welcher Elternteil zu welcher Zeit das Kind betreut und pflegt, bei wem es sich also wann aufhält. Idealerweise werden Kontaktregelungen einvernehmlich getroffen, ansonsten ist das Pflegschaftsgericht zuständig. Bei Ihnen besteht zurzeit die Regelung der Doppelresidenz. Der Umzug Ihrer Ex-Frau wirkt sich allerdings auf diese Kontaktregelung aus. Da Ihr Kind in die Schule geht, ist es nicht zumutbar, eine Woche in Kärnten und eine Woche in Tirol zu leben.
Das Kontaktrecht kann einvernehmlich angepasst werden, es empfiehlt sich aber jedenfalls, die neue Regelung pflegschaftsgerichtlich genehmigen zu lassen. Sollte eine einvernehmliche Änderung nicht möglich sein, etwa weil Ihre Ex-Frau das Kind nach Tirol mitnehmen möchte, ist ein pflegschaftsgerichtliches Verfahren notwendig. Die Wünsche des Kindes werden hierbei nach dem Prinzip des Kindeswohles berücksichtigt.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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