Recht praktisch: Kann unser Vater uns einfach enterben?

Maria In der Maur-Koenne ist Rechtsanwältin in Wien.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Unser Vater droht seit dem Tod unserer Mutter vor einigen Jahren meinen beiden Brüdern und mir uns zu enterben, wenn wir uns nicht nach seinen Vorstellungen um ihn kümmern. Peinlich ist, dass er im Gasthof immer wieder davon erzählt, dass er uns enterben will, weil wir uns so schlecht um ihn kümmern. Dabei stimmt das nicht. Wir besuchen ihn regelmäßig. Ist eine Enterbung möglich, indem er das vor Freunden mehrfach gesagt hat?

Heinz K., Steiermark

Lieber Herr K.,

ein Recht auf eine Erbschaft gibt es in Österreich grundsätzlich nicht. Kinder und Ehepartner haben aber einen Anspruch auf einen Pflichtteil. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Da Sie von drei Brüdern schreiben, hätte daher jeder Sohn Anspruch auf 1/6 der Verlassenschaft nach Ihrem Vater als Pflichtteil.

Über die Hälfte seines Vermögens kann Ihr Vater sohin immer frei nach seinem Tod verfügen. Die andere Hälfte seines Vermögens steht seinen Pflichtteilsberechtigten, sohin seinen drei Söhnen zu gleichen Teilen zu. Dieser Pflichtteilsanspruch kann Kindern nicht einfach willkürlich verwehrt werden. Wenn man seinen Kindern den Pflichtteil verwehren will, sie sohin rechtswirksam enterben möchte, müssen schwerwiegende im Gesetz genau festgelegte Enterbungsgründe vorliegen.

Eine Enterbung ist demnach möglich, wenn ein Pflichtteilsberechtigter eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Ebenso zu einer Erbunwürdigkeit führen Delikte gegen den Nachlass, also etwa der Diebstahl von Wertgegenständen des Verstorbenen oder auch die verbotene Abhebung vom Konto des Verstorbenen. Wird ein Pflichtteilsberechtigter zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, stellt dies ebenfalls einen Enterbungsgrund dar.

Auch das Zufügen von schwerem seelischem Leid stellt einen Enterbungsgrund dar. Darunter versteht man das Imstichlassen des Erblassers im Notfall, sofern damit ein schweres seelisches Leid verbunden ist.

Schließlich ist auch erbunwürdig und kann sohin enterbt werden, wer seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich vernachlässigt. Es mag verständlich sein, wenn sich Ihr Vater häufigere Besuche und eine innigere emotionale Beziehung zu seinen Söhnen und vielleicht auch mehr Trost und Zuspruch nach dem Tod seiner Frau wünscht. Eine seltene Besuchsfrequenz für sich allein stellt aber noch keine, jedenfalls aber keine gröbliche Verletzung von familienrechtlichen Kindespflichten dar. Eine Enterbung nur deshalb, weil man sich mehr Besuche der Kinder wünscht, ist daher nicht zulässig.

Nur bei Vorliegen von Enterbungsgründen kann die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung erfolgen. Unmutsäußerungen am Stammtisch und ständig wechselnde Drohungen, einen der Söhne zu enterben, stellen keine letztwillige Verfügung dar und führen daher auch nicht zu einer rechtsgültigen Enterbung.

eMail: rechtpraktisch@kurier.at

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