Lieber Herr L.,
wovon Ihnen hier erzählt wurde, ist das sogenannte Nottestament. Dieses findet sich in § 584 ABGB. Der Begriff Nottestament ist dabei wörtlich zu verstehen. Diese Form der letztwilligen Verfügung ist tatsächlich nur in ganz besonderen Notfällen und als letzter Ausweg möglich. Es gibt daher auch nur sehr selten Fälle, in denen ein Nottestament zulässig ist.
Voraussetzung ist dabei zunächst, dass eine unmittelbar drohende Gefahr des Todes oder des Verlustes der Testierfähigkeit vorliegt. Dabei geht es in erster Linie um den subjektiven Eindruck des Erblassers. Dieser muss allerdings objektiv begründet werden können, die Gefahrenlage muss für Dritte also nachvollziehbar sein. Die Gefahr muss auch so beschaffen sein, dass es keine Möglichkeit gibt, in anderer Form zu testieren. Ein klassisches Beispiel wäre ein Unfall beim Bergsteigen oder ein mündliches Testament Momente vor einer Notoperation.
Die Voraussetzungen sind recht streng, es sollte also immer versucht werden, das Testament auf eine andere Weise zu verfassen, beispielsweise indem man jedenfalls noch einen Notar ruft. Es gibt zwei verschiedene Arten eines Nottestaments, das fremdhändige schriftliche und das mündliche Nottestament. Die Besonderheiten des Nottestaments liegen darin, dass einerseits eben mündliche Verfügungen zugelassen sind, die Zeugenzahl auf zwei reduziert ist und auch mündige Minderjährige Zeugen sein können. Ansonsten gelten für das schriftliche Testament die gleichen Erfordernisse, zum Beispiel die Unterschrift des Erblassers und der handschriftliche Zusatz, dass das Geschriebene seinem letzten Willen entspricht. Im Fall der mündlichen Erklärung ist es erforderlich, dass der Erblasser nicht bloß Vorschlägen der Zeugen zustimmt, sondern in freier Rede seinen letzten Willen bekannt gibt.
Es müssen daher sowohl bei mündlichen als auch bei dritthändigen schriftlichen Nottestamenten mindestens zwei Zeugen gleichzeitig anwesend sein, die nicht selbst bedacht werden. Diese müssen den Inhalt der mündlichen Erklärung in einer vom Gerichtskommissar zu diesem Zweck durchgeführten Tagsatzung wiedergeben. Nur bei übereinstimmenden Aussagen ist das Testament gültig, bei teilweiser Übereinstimmung ist es in Teilen gültig. Selbstverständlich geht es dabei um inhaltliche Einigkeit, nicht wörtliche. Während das Nottestament gilt, tritt ein allenfalls zuvor errichtetes Testament außer Kraft. Ein wichtiger Aspekt ist, dass das Nottestament allerdings drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit verliert. Nach Ablauf der drei Monate lebt die zuvor außer Kraft getretene Verfügung wieder auf. Letztendlich ist das Nottestament somit tatsächlich nur auf außergewöhnliche Notfälle beschränkt. Besser ist es in Ruhe ohne Notlage ein formgültiges Testament zu errichten.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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