„Plötzlich und unerwartet“
Ob es alle sind, haben wir im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten ehrlicherweise nicht nachgeprüft. Aber es sind ziemlich viele Wiener Brunnen, die Gregor Auenhammer und Gerhard Trumler auf ihrer feuilletonistisch-fotografischen Expedition „Die Brunnen Wiens“, (Bibliothek der Provinz) besucht haben.
Mythen, Legenden, schräge G’schichten kommen vor. Aha-Momente. Was man alles nicht wusste. Geheimtipps. Ein Liebling: Der Brunnen im Heiligenkreuzerhof von Bernard Clairvaux. Nun gehört der Hof zwischen Schönlaterngasse und Grashofgasse ohnehin zu den bezauberndsten Ecken dieser Stadt. Ein Ort, den man besuchen sollte, wenn man kurz einmal daran zweifelt, wie wunderbar Wien ist. Das Ensemble stammt aus dem 17. Jahrhundert und beherbergte einst die erste Graveurschule Wiens. Der Dichter Franz Castelli hat hier gewohnt, er hatte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein Faible für Dialektdichtung, ebenso wie ein gewisser Helmut Qualtinger, der hundert Jahre später hier lebte.
Zurück zum Brunnen: Er stammt aus dem späten 18. Jahrhundert. Ist zart und zurückhaltend, das Brunnenbecken wie gerahmt von einem antiken Tempel. Dass anstatt der historischen Wasserdüse nun ein Wasserhahn aus Messing dort seinen Dienst versieht, noch dazu mit angeschraubtem Gartenschlauch, das hat, nun ja, einen eigenen, herben Charme.
Nicht alle Brunnen Wiens sind von derart unumstrittener Schönheit. So kommt man in Wien kaum an den Wasserskulpturen des Bildhauers Hans Muhr vorbei, omnipräsent auch dank seines Förderers Helmut Zilk.
Hans Muhr ist vor Kurzem gestorben. Mit 88, und zwar, so wurde seine Frau zitiert, „plötzlich und unerwartet“. Vielleicht bin ich übersensibel. Aber ich lese in diesen Anführungszeichen ein gewisses Amüsement. Darüber, dass man es „plötzlich und unerwartet“ findet, wenn jemand mit 88 stirbt.
Aber, lieber Anführungszeichenschreiber, ab wann soll man es denn erwarten, das Sterben? Auch wenn es sich ankündigt: Das Ende ist dann doch meist recht plötzlich.