Paaradox: Wetterwechsel
SIE
„Wenn Engerln reisen…“ ist einer jener Sätze, die ich im Urlaub am häufigsten zu hören bekam. Da saß er, der Mann nebenan, ein Glas Wein in der Hand, und blickte selbstzufrieden, wenn nicht sogar selbstverliebt, in den Himmel. Überzeugt davon, dass es ein wiederkehrendes stabiles Supermegageil-Hoch namens „Michael“ gibt, das immer dann aufzieht, wenn er die Koffer packt. Die Kausalität liegt klar auf der Hand: Wenn er (das Engerl, eigentlich: der Sonnengott) reist, wird’s schön. Ohne wenn. Ohne aber.
Das wird diesmal nix
Aber leider: Alles anders, diesmal. Wir hatten eine Österreichwoche gebucht – auf der Alm. Stimmt, mein Hang zum stündlichen Wetter-App-Check kann anstrengend sein – aber ich bereite mich gerne vor. Einige Tage vor Urlaubsbeginn ahnte ich, dass das mit dem supermegageilen Michi-Hoch nix wird. Geistig biegsam wie ich nun einmal bin, kramte ich alle meine Regensachen hervor. Gleichzeitig stand ich vor der Aufgabe, ihn mit den alternativen Fakten zu konfrontieren: Duhu? Das Wetter wird schlecht…, hast du eh Regenzeugs? Das passierte: Kein Wow, schön, dass du so vorsorglich bist oder Jö, super, wenn ich dich nicht hätte…. Stattdessen sprach er: Du mit deinen depperten Wetterapps. Wenn ich reise, scheint die Sonne: fix und sonst nix. Ich packe meine schönste Badehose ein. Was soll ich sagen? Da sitzen wir jetzt herum, mit seiner Selektion leichter Leinenhemden und der schönsten aller Badehosen. Draußen hat es zehn Grad, es regnet immer wieder, ganz oben hat es sogar geschneit. Und während Hoch Michael irgendwo hinter Wolke 7 bei Rotwein total versumpert ist, studiert der Mann nebenan fünf Wetter-Apps gleichzeitig. Darauf hoffend, dass sich Tief Gabriele, wie er es nun nennt, endlich verzieht.
NEUE TERMINE: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 16.11. Hagenbrunn; 19. 11. Langenlois; 14.11. Bühne im Hof, St. Pölten
ER
ErIm Grunde ist es mir wurscht, wie das Wetter ist oder wird. Ich bin schon ein großer Bub, der sich auch in ausgedehnten Regenphasen zu helfen weiß. Mit Lesen. Und Lesen. Und Lesen. Der sportliche Unruhegeist in mir ist freilich nur durch heftiges Füttern zufrieden zu stellen, bevorzugt also Sonne. Es gilt dennoch das Credo: Schauen wir einmal. Gnä Kuhn indes ist Planungsweltmeisterin. Daher ist etwa ihre Kleiderauswahl auch einem Eventualitätsextremismus unterworfen. Heißt: Eine Salzburg-Woche im Juni oszilliert bei ihr zwangsläufig irgendwo zwischen Sahara-Option und Arktis-Wahrscheinlichkeit. Keine Temperaturkapriole könnte meine Frau je unvorbereitet treffen. Was das für einen liebenden Gepäckträger bedeutet, muss ich nicht erwähnen.
Sinnloser Aktionismus
Sehr wohl aber die obsessive Hingabe an Wetter-Apps. Es gibt Augenblicke, da verfluche ich das Internet. Spätestens, wenn sie drei Wochen vor Urlaubsantritt mit einem Gesicht vor mir auftaucht, als wären wir auf eine Keller-Erlebniswoche in Sibirien umgebucht worden. „Duhu“, sagt sie dann. „Es schaut gar nicht gut aus.“ Meinen Hinweis, dass sich niemand so oft irrt wie Wetter-Propheten, hört sie gar nicht. Weil sie nämlich eine App auf dem Smartphone besitzt, die eine andere App bestätigt, welche wiederum die gleiche Prognose zeigt wie diese App und jene App. „Ich glaube nicht an Downloads, sondern immer an das Gute“, lächle ich. Und stelle als eine Art Mahnmal die Sonnencreme auf den Esstisch. Was sich gegen ihren App-etit jedoch als sinnloser Aktionismus herausstellt. Einen Tag vor der Abreise nimmt ihr Wetter-Ausblick prompt apokalyptische Dimensionen an. Tja, und jetzt sitze ich im Hotelzimmer, schreibe Kolumne, draußen tröpfelt’s, und ich beobachte die Liebste, wie sie sich in stolzem Selbstverständnis ins Regen-Outfit wirft. „Na gut, du hast recht gehabt“, sage ich. Wissend: Kein Satz könnte sie glücklicher machen. So wird ein Urlaub gerettet.
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