Paaradox: "Riechst du das nicht?"

Paaradox: "Riechst du das nicht?"
Verwelken. Wann für Blumen das Ende der Pracht naht, ist eine Frage der Betrachtung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

SIE

Mein Solo-Urlaub ohne Mann nebenan ging zu Ende. Der damit verbundene Seelenzustand lässt sich  so beschreiben:  Luxus  geht, Sorge kommt. Da lag ich, bei meiner letzten Aromaöl-Massage. Jemand  flüsterte: „Tief atmen!“ Doch statt mit der Liege eins zu werden,  zu Klängen vermutlich bekiffter Entspannungsmusikproduzenten, krallte sich in mir folgende Frage fest: Was, wenn der Blumenstrauß von voriger Woche noch immer auf dem Esstisch steht?  

Wetten, dass ...?

Natürlich sagte ich mir in diesem Moment: Geh weg, Frage. Du störst, diese Massage kostet ! Aber sie blieb und entwickelte sich zum Kopfkino. Während meine rechte Wade geknetet wurde, schloss mein Hirn eine Wette  ab: Wetten, der Strauß ist verwelkt, das Wasser in der Vase stinkt, und keine Sau merkt’s? Von nun an ging es gedanklich drunter und drüber. Zur stinkenden Vase auf dem Esstisch gesellten sich  Frühstücksbrotkrümel der vergangenen sieben Tage und mittelversiffte Tischsets. Erst als mich der Therapeut auf den Rücken drehen ließ, um  meinen Kopf zu massieren  („Ganz ruhig, gnä Frau“) tröpfelte endlich ein aromaöltrunkenes Ist doch  wurscht in mein Bewusstsein. Könnte  durchaus sein, dass ich dann ein bisschen geschnarcht habe. Tags darauf: das Wiedersehen. Daheim. Jö schau. Auf dem Esstisch: eine stinkende Vase, verwelkte Blumen, Frühstücksbrotkrümel der vergangenen sieben Tage und mittelversiffte Tischsets.  Ich muss recht deppert auf den Strauß gestarrt haben, denn in der Sekunde sprach der Mann nebenan: Komisch, Schatzi, ich hab eh einmal das Wasser gewechselt. Aber die schauen auf ihre Art doch noch schön aus.  In diesem Moment hätte ich gerne ein Viertel Aromaöl geext. Lavendel, Südhang.

Paaradox-Termine: 13. 4. Oberwaltersdorf, 8. 5. Perchtoldsdorf

gabriele.kuhn@kurier.at

facebook.com/GabrieleKuhn60

ER

Blumen sind in unserem Domizil in meiner Wahrnehmung so sehr da, als wären sie nicht da. Naja, im Augenblick ihres Einzugs bemerke ich sehr wohl die Veränderung im Raum. Ich sage auch „Oha, Lilien“ oder „Da schau' her, Tulpen“ und denke: Fein, die Liebste hat a Freud’. Ab dann jedoch sind Blumen für mich ins Wohnungsleben integriert und blühen ohne Anspruch auf weitere Beachtung. Ausnahme: rote Rosen, die ich selbst beim Floristen ihres Vertrauens erobert habe. Die  besitzen eine tiefere Bedeutung, weshalb ich ihrer gerne huldige. Aber wenn ein buntes Frühlingssträußlein zehn Tage lang auf einer Kommode herumsteht, werde ich niemals registrieren, wenn es das von heute auf morgen nicht mehr tut.

Gedeihen

Im konkreten Fall hat gnä Kuhn unlängst weiße Ranunkeln nach Hause gebracht. Sie sagte: „Eine Pracht, oder?“ Und ich:  „Eh. Vielleicht ein bisserl unscheinbar.“ Und sie: „Pfffff.“ Kurz darauf ließ sie mich für eine Woche mit den Ranunkeln alleine. War aber kein Problem, wir kamen gut miteinander aus. Sie ließen mich gedeihen, ich ließ sie gedeihen. Und am Tag der Rückkehr tat ich, was zu tun ist, die Anarchie-Spuren  verwischen, wie z . B. die Tennistasche aus dem Vorzimmer zu entfernen oder die Tische frei zu machen von Schlüsseln, Zeitungen und  Fernsteuerungen. Viel zu tun, aber ich  weiß, wie sie ihre Ordnung mag. Blöd nur: Auf die Entranunkelung habe ich vergessen. Daher gab es auch kein Lob für das tiptop Wohnreich, sondern nur die Fragen: „Siehst du das nicht? Riechst du das nicht? Spürst du das nicht?“ Und ich schenkte ihr drei Neins, wie sie ehrlicher nicht sein könnten.

Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 9. 5. Langenlois, 29. 5. Baden, 8. 6. Guntramsdorf, 14. 6. Wien (Studio Akzent)

michael.hufnagl@kurier.at

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