Paaradox: Nur keine Brösel

Paaradox: Nur keine Brösel
Bettgeschichte: Sie knuspert vor sich hin, und er ortet weiblichen Wahnsinn.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Es gab Brösel. Und zwar echte. Das hatte mit einer leichten Virusinfektion zu tun, die mich vor einigen Tagen unpässlich werden ließ. Immerhin 38 Grad Fieber, latente Übelkeit, Gliederschmerzen. Nach zwei Stunden Schlaf aber dann doch wieder eine Idee  von Appetit.  Konkret auf Zwieback. Also schickte ich den Mann nebenan in die Welt hinaus, um mir eine Packung davon zu organisieren. Da lief er, beflissen, wie er immer ist. Weil er sich sehr gerne als edler Retter inszeniert und ebenso gerne rückblickend vor größerem Publikum referiert, was er nicht alles unternommen hätte, um die Dramatik der Lage zu entschärfen. Dann klatschen alle und mein Sanitäter des Jahres ist glücklich.

Nanometer Zwieback

Diesmal hatte dieses Glück einen Haken. Ich nahm den Zwieback liegend ein, sprich: im Bett. Fehler! Hatte ich in meinem Delir tatsächlich seine Brösel-Phobie vergessen, die Parallelen zu meiner Spinnenphobie hat. Doch während ich erst ab einer gewissen Spinnengröße in Panik gerate, reicht bei ihm alleine  die Idee, dass ein Nanometer (das ist bitte sehr, sehr, sehr klein) Zwieback-Brösel eventuell von meiner Bettseite auf seine springen könnte. Was es in seiner Fantasie auch garantiert tun würde, denn sind einmal irgendwo irgendwelche Brösel vorhanden, dann rotten sie sich aus seiner Sicht  zum Killerangriff auf ihn zusammen. Also durchbrach ein entsetztes   NEIN! die Stille des Krankenzimmers. Sowie ein Sofort raus aus dem Bett, hier wird sicher kein Zwieback geknabbert. Positiv zu erwähnen ist, dass genau das meinen Kreislauf wieder ankurbelte  –  danke, Dr. Hufnagl. Aber auch er geriet in Bewegung – noch am selben Abend überzog er das Bett neu  und saugte das Schlafzimmer akribisch durch. Notiz an mich: Zwieback-Trick unbedingt merken!

gabriele.kuhn@kurier.at
gabriele.kuhnfacebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Also, zur Info: Auf der einen Doppelbettseite liegen ein Kopfpolster und eine Decke. Und aus. Auf der anderen Seite befinden sich indessen zwei Decken (eine megadicke Hauptdecke und eine ultradicke Notfalldecke für akute Kälteeinbrüche), zwei Kopfpolster (ein großer Hauptpolster, ein kleiner Erhöhungspolster), eine Nackenrolle (kann auch unters Kreuz gelegt werden), ein Nackenhörnchen (für die stabile Rückenlage), ein rosa Therapieball (keine Ahnung, was der soll), ein Thermophor (im Winter gerne auch ein zweiter), zwei Ersatzsocken, ein Ersatzshirt, sowie drei bis sieben Bücher (meine Frau liest niemals nur ein Werk), von denen zwei bis fünf vergessen werden und sich in  Umwälzungsphasen garantiert auf schmerzhafte Weise in Oberschenkel und Nieren bohren.

Knirschen

An diese Überlebensstrategie habe ich mich  längst gewöhnt, auch an ihre nervösen Blicke und Check-Griffe, ob sie eh alle Nachtlager-Zwetschken beisammen hat. Aber dieses gigantische Stillleben dann auch noch um eine Familienpackung Zwieback zu erweitern, das grenzt an Wahnsinn. Denn sogar dann, wenn sich die Liebste einen Riesenteller aus dem Weihnachtsservice unter das liebliche Kinn schiebt, um eine Bettverbröselung zu verhindern, ist fix: Ich werde bald aufwachen, es werden Spurenelemente von Zwieback unter mir knirschen, und ich werde von getrennten Betten, getrennten Zimmern, getrennten Wohnungen, getrennten Planeten träumen. Und das alles nur wegen gnä Knusperhexe. Mein „So nicht!“ war daher gnadenlos. „Sie sagte zartbitter: „Aber ich habe Fieber.“ Und ich sagte nur: „Dann trink' Tee!“

Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 29. 5. Baden, 8. 6. Guntramsdorf, 14. 6. Wien (Studio Akzent)

michael.hufnagl@kurier.at

facebook.com/michael.hufnagl.9

Kommentare